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Neue Westfälische (Bielefeld): Friedensnobelpreis Weise Entscheidung Carsten Heil

Bielefeld (ots)

Nein, es ist nicht alles gut in Äthiopien. Armut, hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und zahlreiche ethnische Konflikte bestimmen den Alltag. Das Land am Horn von Afrika mit 100 Millionen Einwohnern hat noch einen weiten Weg vor sich. Deshalb ist es eine weise Entscheidung des Nobel-Komitees, dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed den Friedensnobelpreis 2019 zu verleihen. Die hohe Auszeichnung soll, wie schon häufiger in ihrer Geschichte, einerseits bereits geleistete Friedensbemühungen wertschätzen und andererseits Mut für den weiteren Weg machen. Es ist gut, dass in diesem Jahr nicht irgend eine supranationale Behörde wie die EU oder die UNO ausgezeichnet wurde und auch nicht Greta Thunberg für ihre Klimaschutz-Aktivitäten. Nicht von Megathemen, die oft im Allgemeinen und Vagen bleiben, ließ sich die Jury in diesem Jahr beeindrucken, sondern von konkreten Reformen, Entscheidungen und Handlungen vor Ort, die dazu führten und führen, dass Menschen ein besseres und friedlicheres Leben führen können. Da ist Abiy Ahmed genau der Richtige. Er ringt in seinem Land an zwei Fronten um Frieden und Fortschritt. Nach außen hat er mit dem Nachbarland Eritrea Frieden geschlossen. Und so den Rücken frei bekommen, um in Äthiopien einen unerwarteten Reformprozess anzustoßen: Tausende politische Gefangene wurden freigelassen, Frauen an der Regierung beteiligt, Korruption bekämpft und alte Kader ausgeschaltet. Wie einst Michail Gorbatschow, kommt auch Abiy aus dem alten diktatorischen System seines Landes. Niemand hatte ihm diesen Politik-Wechsel zugetraut und doch hat er das Ruder herumgerissen. Und natürlich hat er Feinde. Wie auch Gorbatschow muss er sich gegen viele Mitglieder der bisherigen Eliten und Reformverlierer verteidigen. Der Friedensnobelpreis sollte deshalb für die Länder des reichen Westens Signal sein, ihn und sein Land zu unterstützen. Auch wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in diesem Jahr Äthiopien besucht hat, könnte auch Deutschland mehr tun. Ein Twitter-Glückwunsch von Außenminister Heiko Maas ist zu wenig. Denn: Nur wenn solche Entwicklungen wie in Addis Abeba auch in anderen Regionen Afrikas Einzug halten, werden Fluchtursachen verringert.

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