Neue Westfälische (Bielefeld): SPD-Parteitag Letzte Chance Carsten Heil
Bielefeld (ots)
Nun hat sich die SPD auf ihrem Parteitag gerade noch mal berappelt. Die Delegierten sind nicht in Flügeln zerstritten nach Hause gefahren. Sie haben das neue Führungsduo Esken/Walter-Borjans mit ordentlichem bzw. gutem Ergebnis gewählt und sich auf einen neuen, deutlich linkeren Kurs in ihrem Leitantrag verständigt. Nachdenklich macht jedoch, dass gerade die Wortführer eines linken Kurses bei den Vorstandswahlen ausgeschieden sind. Ralf Stegner und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller haben nach dem ersten Wahlgang frustriert aufgegeben. Müller ist immerhin der einzige Sozialdemokrat, der Forderungen des Leitantrages schon in praktische Politik umgesetzt hat. Seinen radikalen Mietendeckel in der Hauptstadt haben seine Parteifreunde nicht belohnt. Das ist seltsam und zahlt nicht auf die Glaubwürdigkeit der Partei ein. Die Glaubwürdigkeit ist aber das zentrale Problem der Genossen. Das ewige Hin und Her bei den Hartz-Reformen hat nicht zur Verlässlichkeit beigetragen. Statt die Reformen zu verfechten und gleichzeitig die Fehler darin zu korrigieren, das hat die SPD versäumt. Stattdessen wurde gestritten. Deshalb sind die neuen Beschlüsse nicht mehr als die letzte Chance für die einst große Partei, die so viele Verdienste für sich reklamieren könnte. Positiv zu bewerten sind die Forderungen nach mehr Investitionen. Auch wenn damit die Frage nicht beantwortet ist, ob die Länder und vor allem die Kommunen Kapazitäten hätten, diese Gelder zu nutzen. In Bielefeld zum Beispiel sind daran Zweifel berechtigt. Schon heute verhaspelt sich die Verwaltung des OWL-Oberzentrums an all den vielen Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Individuelle und strukturelle Fehler, mangelndes qualifiziertes Personal und ungenügende Konzepte machen es fast unmöglich, die erforderliche Klimawende zu bewerkstelligen. Die kommenden Monate werden entscheiden, ob die SPD die sich selbst verschaffte Chance nutzen kann. Es bedarf einer Alltagseinigkeit. Die Genossen dürfen nicht in wenigen Tagen ihre Beschlüsse wieder in Zweifel ziehen. Auch wenn sie feststellen, dass sie nie eine linke Politik so machen können wie die Linke. Denn so weit nach links zu rücken, wäre ein strategischer Fehler. Mehrheiten sind für die SPD dort nicht zu holen. Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken müssen als Duo absolut funktionieren und daran arbeiten, das SPD-typische übereinander Reden und Schimpfen der Strömungen zu beenden. Nur dann können die Sozialdemokraten noch eine Chance haben.
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