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Blackout
Leitartikel von Jens Kleindienst zu Eklat im Kanzleramt

Mainz (ots)

Das verheerende Echo auf diese Pressekonferenz im Bundeskanzleramt dürfte dem Hausherrn noch länger in den Ohren dröhnen. Man will es nicht glauben: Aber Bundeskanzler Olaf Scholz hat die knallharte Leugnung des Holocausts durch seinen Gast Mahmud Abbas vor der versammelten internationalen Presse einfach so stehen gelassen. Es gab keine unmittelbare Replik auf die ungeheuerliche Behauptung des Palästinenserpräsidenten, Israel habe 50 Holocausts an seinem Volk begangen. Das hätte nie passieren dürfen. Olaf Scholz hat, als eine spontane Zurechtweisung des Gastes absolute politische Pflicht gewesen wäre, geschwiegen - und damit glatt versagt. Dass er vorher Abbas für die Verwendung des Begriffs Apartheid im Zusammenhang mit dem israelischen Staat gerügt hat, ändert an dieser Feststellung nichts. Im Gegenteil, es macht das Versagen wenige Minuten später noch sichtbarer. Scholz dürfte sofort nach dem Vorfall klar geworden sein, dass er gerade einen schweren Fehler begangen hat. Niemand unterstellt dem Kanzler nun ein problematisches Verhältnis zum Staat Israel oder gar Antisemitismus. Gibt es also überhaupt eine Erklärung für diesen Blackout? Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte seinen Anteil an dem Desaster. Er gab dem grimmig in Richtung Abbas blickenden Scholz keine Zeit, zu einer Antwort anzusetzen, sondern erklärte die Veranstaltung kurzerhand für beendet. Doch hätte Scholz seinem Sprecher ins Wort fallen müssen. Dass er es nicht tat, ist wohl auch der Selbstbeherrschung und seiner zuweilen übertrieben wirkenden Höflichkeit geschuldet, die er so gerne zelebriert. Nun hat sich beides als Falle erwiesen. Der Versuch, das Malheur mit einer rasch nachgereichten Empörungsbekundung via Twitter aus der Welt zu schaffen, konnte nicht fruchten. Der Vorwurf, von einem Holocaustleugner in der Machtzentrale der deutschen Politik übertölpelt worden zu sein, wird den Kanzler weiter begleiten. Hierzulande auch deshalb, weil der Eklat in eine Zeit fällt, in der in Deutschland intensiv und ziemlich nervös über Antisemitismus gestritten wird. Die Debatte über einige offenkundig antisemitische Beiträge zur Kasseler Documenta, über die mangelnde Sensibilität des indonesischen Kuratoren-Kollektivs und das krasse Versagen der deutschen Ausrichter der Welt-Kunstschau gehört in diesen Kontext. Ebenso der anhaltende Streit darüber, ob Künstler und Wissenschaftler in Deutschland auf Bühnen und Podien geduldet werden sollen, wenn sie im Verdacht stehen, mit der internationalen Israel-Boykott-Bewegung BDS zu sympathisieren. Die Auswüchse dieses Konflikts haben zu der absurden Situation geführt, dass deutsche Politiker und Kulturmanager inzwischen junge israelische Staatsbürger über ihren angeblichen Antisemitismus belehren. Der üble Holocaustvergleich von Abbas dürfte aber auch im Nahen Osten nicht ohne Folgen bleiben. In Israel ist er ein Schlag ins Gesicht all jener, die immer noch an die Möglichkeit eines friedlichen Miteinanders zwischen Israelis und Palästinensern glauben. Abbas galt bisher als wichtigste Kraft der Gemäßigten auf der Seite der Palästinenser. Mit seiner Holocaust-Leugnung im Berliner Kanzleramt hat er sich als geistiger Bruder von Hamas und Hisbollah entlarvt, mit dem wohl keine Zwei-Staaten-Lösung möglich ist.

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