BDI Bundesverband der Deutschen Industrie
Zwei Jahre rot-grüne Bundesregierung - ihr Ruf ist besser als ihre Politik
Berlin (ots)
"Es ist anzuerkennen, dass Reformansätze da sind und sich in Deutschland etwas bewegt. Aber die vielgelobte Reformfähigkeit von Rot-Grün wird überschätzt. Der Ruf der Bundesregierung ist besser als ihre Politik." Diese Bilanz zog der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, auf einer Pressekonferenz am Freitag in Berlin zur Halbzeit der Legislaturperiode. Die durchaus richtigen Reformansätze der Bundesregierung seien gemessen an den Handlungsnotwendigkeiten bestenfalls erste Schritte. "Diskussionen um Reformen sind noch keine Reformen."
Die bisher positive Konjunkturentwicklung und das zeitweilige Stimmungshoch der Regierung dürften den Blick auf die Realitäten nicht verstellen. Bei der Unternehmenssteuerbelastung rücke Deutschland zwar durch die Steuerreform von einem unteren auf einen oberen Mittelplatz vor. Das sei aber zu wenig, um im internationalen Steuerwettbewerb als Standort wirklich attraktiv zu werden. Und mit der Ökosteuer habe sich die Bundesregierung auch im internationalen Maßstab völlig ins Abseits manövriert - was angesichts der aktuellen Ölpreissteigerungen besonders krass zutage träte.
Der hektische Reparaturbetrieb dieser Tage gleiche einem Offenbarungseid - die Ökosteuer führe in die Sackgasse. Wer wie die Regierung dennoch an den weiteren Steuererhöhungen zum 1.1.2001 fest halte, der gefährde das Wirtschaftswachstum. Deshalb müsse Rot-Grün die in der Koalitionsvereinbarung bereits vorgezeichnete Aussetzung der nächsten Ökosteuerschritte umgehend beschließen.
Auch in anderen wichtigen Bereichen setze die Bundesregierung zunehmend auf staatliche Intervention statt Deregulierung, auf Marktsteuerung statt Wettbewerb und auf neue Abgaben statt weiterer Entlastung.
So seien keinerlei Fortschritte bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gemacht worden - im Gegenteil: Die Verschärfung des Kündigungsschutzes, die Rücknahme der Reform der Lohnfortzahlung, die Sozialversicherungspflicht der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse hätten den Arbeitsmarkt zusätzlich verkrustet.
Heftig kritisierte Henkel den Entwurf für ein ,Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse'. Ein Anspruch auf Teilzeitarbeit und die Einschränkung bei der befristeten Einstellung von Arbeitnehmern seien nun das genaue Gegenteil einer Flexibilisierung. Ein solches Gesetz in Verbindung mit der von den Gewerkschaften favorisierten Ausweitung der Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz würde den überregulierten Arbeitsmarkt endgültig betonieren. "So schafft man keine Arbeitsplätze sondern macht notwendige und mögliche Einstellungen von Arbeitnehmern faktisch unmöglich," so Henkel zu diesen Plänen.
Die bisher bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung für eine Rentenreform verdienten diesen Namen nicht. Dafür enthielten diese zu viele Tabus. So sei eine Reform der Höhe und des Umfangs des Leistungskatalogs der Rentenversicherung offensichtlich nicht im notwendigen Maße vorgesehen. Auch die Vertagung des Einstiegs in die nachgelagerte Besteuerung gleiche einer Rolle rückwärts, die das Rentensystem nicht kuriere, sondern seine Zukunft gefährde.
Auch in der Umweltpolitik setze Rot-Grün nach wie vor auf die alten interventionistischen Instrumente statt auf Kooperation und Innovation. Deregulierungsmöglichkeiten, z.B. in der Abfallwirtschaft, würden nicht genutzt. Die Kostensenkungspotenziale durch die Liberalisierung der Energiemärkte würden verspielt, wenn 80 % der Strompreissenkungen durch umweltpolitisch begründete Belastungen den Energieverbrauchern zusätzlich aufgebürdet werden. Und in der Verkehrspolitik habe die Pällmann-Kommission deutlich gemacht, dass Deutschland vor einer Infrastrukturkrise stehe und der Verfall des logistischen und exportwirtschaftlichen Leistungsniveaus drohe. Die zusätzliche LKW-Schwerverkehrsabgabe sei praktisch eine zusätzliche Verkehrssteuer für die Wirtschaft.
All dies seien Eingriffe in die Marktwirtschaft, die nicht nur die Wirtschaft, sondern alle Verbraucher belasten und die optimistischen Konjunkturaussichten gefährden. "Schon heute stehen den erst 2001 greifenden Entlastungen durch die Steuerreform Belastungen in Milliardenhöhe gegenüber", so Henkels kritisches Fazit.
"Modernisieren und entlasten statt regulieren und abkassieren - das ist das Gebot der Stunde. Die Zeit für nachhaltige Reformen ist so günstig wie selten zuvor", appellierte Henkel an die Bundesregierung. Der Konjunkturaufschwung beschere dem Staat Steuereinnahmen in nie zuvor erreichter Höhe. Die Bundesregierung müsse jetzt den Mut haben, angesichts der konjunkturellen Lage konsequent auf Reformen zu setzen und auf weitere Belastungen der Wirtschaft, der Verbraucher und der Bürger zu verzichten.
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