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Grüne Woche 2013: Global Forum for Food and Agriculture:

Berlin (ots)

Hungerbekämpfung braucht verantwortungsvolle Investitionen Agrarministergipfel mit Repräsentanten aus 80 Staaten

Mit drei hochkarätig besetzten Konferenzen ist am gestrigen Samstag im Rahmen der Internationalen Grünen Woche das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA, 17.-19.1.) zu Ende gegangen. Der Berliner Agrarministergipfel, das Internationale GFFA-Podium und das Internationale Wirtschaftspodium bildeten den Höhepunkt der weltweit einzigartigen Veranstaltung, auf der sich internationale Experten aus Politik und Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einmal im Jahr in Berlin treffen, um über zentrale Zukunftsfragen der globalen Land- und Ernährungswirtschaft zu diskutieren.

Zum Abschluss des Internationalen Agrarministergipfels, den Bundesministerin Ilse Aigner vor fünf Jahren ins Leben gerufen hatte, bekannten sich Agrarminister aus rund 80 Staaten zu einer konsequenten Bekämpfung des Welthungers. Stellvertretend für ihre insgesamt rund fünf Milliarden Einwohner und damit etwa 70 Prozent der Weltbevölkerung forderten sie in ihrem Abschlusskommuniqué, die Investitionen in die Land- und Ernährungswirtschaft maßgeblich zu steigern und dabei wichtige Kriterien wie den Klima- und Umweltschutz sowie die Einhaltung von Menschenrechten und sozialen Standards zu berücksichtigen.

"Hunger herrscht vor allem in ländlichen Regionen. Deswegen müssen wir bei der Landwirtschaft ansetzen - sie ist der Schlüssel zur Lösung des Problems", sagte Ministerin Aigner. Kleinbauern, Frauen und lokale Gemeinschaften seien die tragenden Säulen für die Agrarerzeugung in den ländlichen Räumen der Entwicklungsländer. Daher müssten sie in den Mittelpunkt der Strategie zur Steigerung von verantwortungsvollen Investitionen gerückt werden. "Das Menschenrecht auf Nahrung darf nicht nur auf dem Papier stehen", so die Ministerin bei der Übergabe des Abschlusskommuniqués an den Vorsitzenden des Welternährungsausschusses der Vereinten Nationen, Yaya Olaniran. Sie forderte die Staatengemeinschaft, den Privatsektor und die Zivilgesellschaft auf, sich aktiv an der Erarbeitung von freiwilligen Prinzipien für verantwortungsvolle Agrarinvestitionen im Rahmen des UN-Ausschusses zu beteiligen.

In seiner Eröffnungsrede zum Internationalen GFFA-Podium kritisierte der stellvertretende Generalsekretär der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), Petko Draganov, den Rückgang der Investitionen in den Agrarsektor. Sowohl in der Entwicklungszusammenarbeit als auch in den betroffenen Ländern selbst wurde die Branche seit den 1980er Jahren stark vernachlässigt. Die Folge: Beratungsdienste wurden eingestellt, die Produktivität ging vielerorts zurück. Mit der einhergehenden Öffnung der Märkte entwickelten sich zahlreiche Länder innerhalb eines Jahrzehnts von Nahrungsmittelexporteuren zu -importeuren. Gerade in Zeiten der Verknappung von Lebensmitteln bestehe die Gefahr, dass ausländische Unternehmen, die in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer investieren, nur für den Export produzieren und die Lebensmittel der heimischen Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, erinnerte daran, dass 40 Prozent der großen Landkäufe in Entwicklungsländern der Herstellung von Biosprit dienen. Dabei sind es immer die fruchtbarsten Böden, die aufgekauft werden und die dann für die Nahrungsmittelproduktion verloren sind. Zudem würden dabei Menschen, die das Land seit Jahrzehnten bewirtschaften, aber keine Landtitel besitzen, oft nicht an den Gewinnen beteiligt. "Sie bekommen noch nicht einmal feste Arbeitsplätze, das ist eine Katastrophe für diese Menschen", sagte Dieckmann. Investitionen seien zu befürworten, aber sie müssten auch immer der lokalen Bevölkerung dienen.

In der Diskussion um Ernährungssicherheit darf neben der Quantität der Nahrung auch deren Qualität nicht vergessen werden, mahnte Shenggen Fan, Generaldirektor des International Food Policy Research Institutes (IFPRI). Zusätzlich zu den rund 870 Millionen Menschen, die weltweit hungern, litten weitere zwei Milliarden Menschen an Unterversorgung mit Mikronährstoffen. Im frühen Kindesalter führt dies zu unumkehrbaren Wachstumsstörungen. Hier könne die Privatwirtschaft durch die Herstellung von nährstoffangereicherten Lebensmitteln beziehungsweise Saatgut eine wichtige Rolle spielen. "Allerdings brauchen wir hier ein vernünftiges Monitoring, um sicherzustellen, dass die Investitionen auch wirklich beiden Seiten zugute kommen", sagte Fan.

Wie verantwortungsvolle Investitionen praktisch aussehen können, erläuterte Peter Brabeck-Letmathe, Präsident des Verwaltungsrats von Nestlé: Der Lebensmittelkonzern will seinen Umsatz mit Kaffee in den kommenden zehn Jahren verdoppeln und hierfür 500 Millionen US-Dollar investieren. Das Unternehmen arbeitet mit 680.000 Kleinbauern zusammen, die vom Unternehmen nicht nur verbessertes Pflanzgut erhalten, sondern auch Ausbildung, etwa im wassersparenden Anbau. Zudem unterstütze Nestlé sie dabei, ihre Landtitel einzuschreiben und so ihre Rechte zu schützen. Die Verdopplung der Produktion soll mit einem um 20 Prozent verringerten Energie-Einsatz und einem um 30 Prozent geringeren CO2-Ausstoß erreicht werden.

"Für uns bedeuten verantwortungsvolle Investitionen, dass zehn Prozent der Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden müssen", sagte Mosambiks Landwirtschaftsminister José Condungua Pacheco mit Blick auf ausländische Direktinvestitionen. Land ist in Mosambik Staatseigentum, die Nutzung erfolgt über Konzessionen. Zurzeit werden nur etwas mehr als 15 Prozent der Flächen dauerhaft kultiviert, weswegen ausländische Investoren sehr erwünscht seien. 90 Prozent der Nahrungsmittel werden von Kleinbauern hergestellt. Diese wolle man stärken, damit sie intelligente Partnerschaften mit den Investoren eingehen können und so die Ernährungssicherung im Land verbessern, sagte Pacheco.

Jin-Yong Cai, Vorsitzender der Geschäftsführung der IFC (Interna-tional Finance Corporation) der Weltbankgruppe, machte das hohe Risiko für die unzureichenden Investitionen in den Agrarsektor verantwortlich. Faktoren wie schwankende Preise, die Abhängigkeit der Produktion von den Witterungsbedingungen, aber auch politische Instabilität oder die enge Bindung des Sektors an die Entwicklung der Energiepreise schrecken potenzielle Investoren ab. "Investitionen in die Infrastruktur sind fast noch wichtiger als Investitionen in die Landwirtschaft, denn ohne vernünftige Straßen oder den Zugang zu Märkten ist es für Kleinbauern schwer, produktiv zu arbeiten", sagte Cai.

Um den Hunger zu bekämpfen, muss die Agrarproduktion dort gefördert werden, wo der Bedarf ist, also in den Ländern des Südens, sagte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos zum Abschluss des Podiums. Er erinnerte daran, dass die größten Investoren in den Agrarsektor die Landwirte selbst sind. Banken haben die Aufgabe, sie hierbei zu begleiten; die entscheidende Verantwortung liege jedoch bei den lokalen Regierungen, etwa indem sie die Landwirte dabei unterstützen, sich zusammenzuschließen und so ihre Verhandlungsmacht zu stärken. "Die EU-Kommission begleitet diesen Prozess gerne überall dort, wo verantwortungsvolle Regierungen sind", sagte Ciolos.

Das Internationale Wirtschaftspodium befasste sich mit der Rolle der Agrar- und Lebensmittelbranche für die Ernährungssicherheit. Matin Qaim, Professor für Welternährungswirtschaft an der Universität Göttingen, verdeutlichte, dass Investitionen in den Agrarbereich sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern nötig sind, um die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln künftig befriedigen zu können. Zwar sollten in den Ländern des Südens dabei die Kleinbauern im Mittelpunkt stehen, doch bedeute dies nicht, ihre Produktionsweise um jeden Preis zu bewahren. "Eine Strategie zur Verminderung von Risiken ist es für Kleinbauern, Subsistenzlandwirte zu bleiben. Das ist aber eine sehr teure Art der Versicherung", so Qaim. Bei den nötigen Investitionen sollte die Privatwirtschaft eine größere Rolle spielen als bisher; der Staat solle sich darauf konzentrieren, dort einzugreifen, wo der Markt allein nicht für die gewünschten Ergebnisse sorgt.

Jervis Zimba, Vizepräsident des Weltbauernverbands, fasste seine Überzeugung in sechs Worte: "Keine Landwirte - keine Nahrungsmittel - keine Zukunft!" Kleinbauern stellen ein Drittel der Weltbevölkerung, haben aber in Politik und Wirtschaft keine Stimme, kritisierte Zimba. Zudem seien sie von Preisschwankungen besonders stark betroffen, da ihr Jahreseinkommen oft von einer einzigen Ernte abhängt. Ein Preisverfall wie im vergangenen Jahr im Baumwollanbau könne nicht durch Reserven ausgeglichen werden. Um ihre Position zu stärken, bräuchten Kleinbauern, und hier vor allem Frauen und junge Menschen, Zugang zu Betriebsmitteln, Krediten und zur nötigen Technik, aber auch Ausbildung zur besseren Vermarktung ihrer Produkte.

In der Diskussion zu den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für verantwortungsvolle Investitionen erinnerte der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann, daran, dass die Hauptaufgabe der Weltgemeinschaft darin besteht, die Menschen in die Lage zu versetzen, sich selbst zu ernähren. Ansonsten seien in Zukunft enorme Investitionen in soziale Sicherungssysteme nötig. Viele Investitionen der vergangenen Jahre hätten nicht nur negative Auswirkungen auf Umwelt und Lebenssituation der heimischen Bevölkerung gehabt; sie könnten, wie das Beispiel Madagaskars vor vier Jahren gezeigt habe, bei unzureichender Umsetzung sogar zu Regierungskrisen führen.

Die Vertreter von Weltbank und Rabobank, der Bayer CropScience AG und der Nestlé Deutschland AG berichteten von ihren Prinzipien und Prioritäten bei Investitionen in den Agrarsektor, aber auch von den Hindernissen, mit denen sie dabei häufig konfrontiert sind. Als einer der größten Hemmschuhe stellten sich dabei ungenügende rechtliche Rahmenbedingungen und mangelnde Unterstützung von Seiten der örtlichen Politik heraus. Denn eins sei klar, so Nestlé-Vorstand Gerhard Berssenbrügge: Ein Unternehmen investiere in erster Linie dort, wo es die günstigsten Bedingungen vorfinde.

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Diese Presse-Information sowie Presse-Fotos vom GFFA finden Sie auch im Internet: www.gruenewoche.de

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