Bürgerversicherung und Kopfpauschale weiter umstritten. Pressebericht zur Handelsblatt-Konferenz. Die Gesundheitsreform in der Praxis Herausforderungen für die GKV und PKV.
Düsseldorf (ots)
Berlin, Februar 2004. Für die Einführung einer Bürgerversicherung sprach sich Prof. Dr. Dr. Karl W. Lauterbach (Universität Köln) im Rahmen der Handelsblatt-Konferenz Die Gesundheitsreform in der Praxis Herausforderungen für die GKV und PKV in Berlin aus. Lauterbach betonte vor rund 120 Teilnehmern die Vorteile der Bürgerversicherung für die privaten Krankenversicherer, die mit der Bürgerversicherung umfangreiche zusätzliche Versicherungsbedürfnisse befriedigen könnten: Die PKV fährt mit der Bürgerversicherung besser, denn eine private Vollversicherung hätte durch das Prämien- Modell keine Chance mehr. Die demografische Entwicklung mache langfristig eine PKV-Vollversicherung unbezahlbar. Der Kölner Gesundheits-Ökonom wies den Vorwurf, eine Einheitsversicherung und ein Zwei-Klassen-System mit der Bürgerversicherung einführen zu wollen, zurück und betonte, dass die Bürgerversicherung den geforderten Wettbewerb stärken und die Gerechtigkeit erhalten könne.
Für Prof. Dr. Jürgen Wasem (Universität Duisburg) verwischt die Diskussion um Kopfpauschale und Bürgerversicherung die Probleme des Gesundheitssystems. Auf Demografie, Familienlastenausgleich, Arbeitgeber-Beitrag, Kapitaldeckung und die schon heute bestehenden Transferzahlungen in das Gesundheitssystem aus Steuermitteln gibt es keine einfachen Antworten. Die gesetzliche Krankenversicherung müsse aber von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt werden. Wasem verdeutlichte die Ambivalenz zwischen PKV und GKV und sprach sich für eine teilweise Angleichung der PKV an die GKV aus, indem ein Risikostrukturausgleich für die PKV eingeführt werde.
Die Forderung nach Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit, sowie Eigenverantwortung, Generationengerechtigkeit und einer Absenkung der Lohnnebenkosten bestimmte den Beitrag von Wilfried Johannßen (Allianz Private Krankenversicherungs-AG). In den derzeit diskutierten Konzepten sah Johannßen weder eine wirkliche Entlastung der Wirtschaft noch eine Antwort auf die demografischen Entwicklungen. Die Bürgerversicherung ist eine versteckte Steuererhöhung und damit schlecht für den Standort Deutschland. Er stellte das Konzept einer Generationenversicherung vor, die im Wesentlichen auf Kapitaldeckung ausgelegt ist. Dieses Konzept sieht die Einführung einer Regelversicherung über Kopfpauschalen vor und wird durch kapitalgedeckte Ergänzungsversicherungen ergänzt.
Gegen die Möglichkeit, dass seit dem 1. Januar 2004 gesetzliche Krankenversicherungen mit privaten Krankenversicherungen in der Zusatzversorgung kooperieren dürfen, protestierte Klaus Detlef Dietz (PKV Verband e.V.). Wenn die GKV bald auch Zusatzversicherungen anbietet und so unternehmerisch auftritt, soll sie auch wie ein Unternehmen behandelt werden. Dietz wies im weiteren auf den Widerspruch hin, einerseits die Ausgliederung von Leistungen aus der GKV (Zahnarzt) zu fordern und gleichzeitig eine Pflichtversicherung einzuführen.
Die künftige Finanzierung des Gesundheitssystems sowie die Auswirkungen auf einzelne gesellschaftliche Gruppen und den Standort Deutschland bestimmte auch die Podiumsdiskussion zwischen Hermann- Josef Arentz (MDL, Mitglied des Präsidiums der CDU), Franz Knieps (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung), Klaus Detlef Dietz sowie Prof. Lauterbach, Ralf Sjuts (Deutsche BKK) und Wilfried Johannßen.
Hermann-Josef Arentz betonte die notwendige Teilentkopplung von Arbeitskosten und sozialer Sicherung. Das lohneinkommensabhängige System soll nach Plänen der CDU zu einem teilkapitalgedeckten System umgebaut werden. Dem Vorwurf der sozialen Ungerechtigkeit entgegnete Arentz mit Hinweis auf die Ausgleichszahlungen aus Steuermitteln.
Franz Knieps erteilte dem Prämiensystem der CDU eine klare Absage. Es führe nicht nur zu einer Entsolidarisierung, sondern sei auch wettbewerbsrechtlich nur schwer umsetzbar. Die juristische Umsetzbarkeit der Bürgerversicherung stellte Knieps ebenso in Frage. Bezüglich der Gerechtigkeitsdebatte bemerkte Knieps, dass Leistungen und Beiträge auch heute nicht gerecht verteilt sind.
Die Entlastung der Arbeitkosten wurde von den Referenten der Diskussion unterschiedlich bewertet. Für Lauterbach wären die steuerlichen Zuschüsse, die das Prämiensystem verlange, besser in Bildung und Familie investiert. Diese Investitionen würden sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt und die demografische Entwicklung auswirken. Derzeit würden sieben Prozent des BIP für Gesundheit ausgegeben. Bis 2030 würden die Ausgaben auf zehn Prozent ansteigen. Lauterbach: Das verkraftet die Volkswirtschaft. Johannßen mahnte die Nachhaltigkeitslücken der Bürgerversicherung an und stellte fest, dass ideologisch die Nähe zur Bürgerversicherung verständlich sei, arbeitsmarktpolitisch aber schwierig. Dem stimmte Arentz zu: Die Reform sollte auch eine Reform für mehr Wirtschaftswachstum sein.
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