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Der Homo Tankonomicus Pressebericht zur 9. Handelsblatt Jahrestagung „Handel und Wandel in Tankstellen“ am 16. und 17. März 2005 in Bonn

Auf der 9. Handelsblatt Jahrestagung „Handel und Wandel in
Tankstellen“ diskutierten 160 Teilnehmer über die
kreativsten Marktstrategien und Trends der Convenience-Branche.
Neben Praxisbeispielen aus dem Shopgeschäft wurden auch die
globalen Megatrends im Convenience Shopping erörtert. Adjiedj Bakas
(Dexter GmbH), Trendforscher und Buchautor aus den Niederlanden,
stellte die Trends der Zukunft vor. Auch für Tankstellen würde der
viel beschworene demographische Wandel von Bedeutung sein. Obwohl die
Bevölkerung Deutschlands auf prognostizierte 70 Millionen im Jahr
2050 sinken werde, sei es laut Bakas möglich, die Umsätze und Gewinne
zu steigern. Dies gelänge seiner Meinung nach, indem das Marketing
sich den veränderten Kundenwünschen anpasse. Für Tankstellen bedeute
dies vor allem, sich auf die zu erwartende höhere Anzahl von
Tankstops von Bussen einzustellen, da der Anteil des
Individualverkehrs älterer Menschen eher zurückgehe. „Diese Menschen
haben Zeit und wollen unterhalten werden“, so Bakas. Er nannte ein
Beispiel aus den Niederlanden, wo in einem Supermarkt so genannte
`slow cashiers`, also langsame Kassierer, eingesetzt würden, die auf
die Bedürfnisse älterer Personen eingehen. Auch der deutsche Markt
müsse sich darauf einstellen, sagte Bakas. Auch die Islamisierung sei
noch immer ein weitgehend ungenutztes Potenzial. Viele Südeuropäer
führen mit dem Pkw in den Urlaub. Diese Zielgruppe sei bisher jedoch
völlig vernachlässigt worden. Bakas schlug vor allem für das
Shop-Geschäft einen eigenen Bereich mit sogenanntem ´halal-food´ vor,
Snacks die den religiösen Vorgaben muslimischer Konsumenten
entsprächen. Um Tankstellen attraktiver für diese Gruppe zu
gestalten, wären laut Bakas auch spezielle Unterkünfte denkbar, bei
denen nach muslimischer Tradition Männer und Frauen getrennt
übernachten könnten. Auch der Bau von Moscheen nach dem Vorbild der
Autobahnkirchen sei zu erwägen. Bakas warnte jedoch eindringlich vor
unreflektierten Werbemaßnahmen, die Muslime eher abschrecken als
ansprechen. Er empfahl mit großer Sensibilität an diese Zielgruppe
heranzutreten. Als weiteren Trend nannte er die „Asianisation“. Diese
würde laut Bakas durch den künftigen Wegfall der Visumspflicht für
Asiaten begünstigt. Er prognostizierte zudem einen Trend der
asiatischen Bevölkerung zum Zweithaus in Europa und einen großen
Touristenstrom aus Indien. Das Shopgeschäft an der Tankstelle sollte
sich seiner Meinung nach nicht nur auf die kulinarischen Vorlieben
der genannten Bevölkerungsgruppen, sondern beispielsweise auch auf
die Wünsche beim Souvenirangebot einstellen. Zusammenfassend stellte
Bakas fest, dass auch das Tankstellenmarketing sich von anderen
Kulturen und Ländern inspirieren lassen solle und dass hier vor allem
den kleinen Dingen und der Sensibilität gegenüber anderen Kulturen
eine besondere Gewichtung zukomme.
Thomas Tucker (ExxonMobil) stellte das neue Shop-Konzept „On the
run“ von Esso vor. Das System wurde bereits in 120 Tankstellen in
über 20 Ländern etabliert. Derzeit gäbe es in Deutschland 25 „On-the-
run“-Shops und der Roll-out solle weitergehen: „We know it works“,
sagte Tucker. ExxonMobil verfolgt eine Strategie, die der Shop-
Experte mit „Science and Passion“ titulierte. Umfangreiche
Marktforschungsstudien und intensive Schulungsprogramme für
Mitarbeiter machten das Konzept so erfolgreich. Tucker unterstrich
vor allem den Stellenwert geschulten Personals. Freundlichkeit und
Schnelligkeit des Services stünden laut Kundenumfragen an vorderster
Stelle. An dritter Stelle stünde eine akzeptable Preisstruktur und
erst an vierter Stelle folge der Kraftstoffpreis. Daher halte er
Mitarbeiteranalysen für unabdingbar.
Das erfolgreiche Markenmanagement der Deutsche BP AG stellte Bernd
Vangerow (Deutsche BP AG) vor. „Marke ist nicht immer Marke. Marken
existieren in den Köpfen der Verbraucher. Marke identifiziert,
differenziert und transportiert eine Botschaft. Marke erhöht die
Marge“, so der Global Brand Manager. „Der Kunde ist jedoch von Logos
und Markentypes überfordert“, führte Vangerow weiter aus. Daher
plädierte er für ein gebündeltes Master-Brand, um so die Effektivität
der Marke zu erhöhen. Der Markenwert der BP liegt weltweit bei 3,2
Milliarden Dollar. Diesen Markenwert will BP durch ein konzentriertes
und fokussiertes Brand-Management weiter erhöhen. „Alles, was auf den
Kunden losgelassen wird, muss abgestimmt sein und einen Fokus
erfahren“, so Vangerow. Hierfür seien Standards mit Korridoren zur
flexiblen Umsetzung erforderlich, ebenso wie das Controlling
institutionalisierter Abläufe sowie die Dokumentation aller
relevanten Informationen rund um die Marke. Auch im Hinblick auf die
Implementierung dieses ganzheitlichen Markendenkens setze BP auf die
Schulung und Information der Mitarbeiter.
Wachstum durch starke Markenführung war das Thema des Vortrages
von Michel Marlière (Tank & Rast Holding AG). Der Bereichsleiter
Marketing & Netzentwicklung erläuterte den Weg von der Entstehung bis
zur Etablierung des Raststätten-Konzeptes und Markennamens „Serways“.
Die Tank & Rast (T & R), die an 392 Standorten auf deutschen
Autobahnen vertreten ist und einen Außenumsatz von 3,3 Milliarden
Euro generiert, hat im Jahr 2002 eine Basismarktforschungsanalyse
durchgeführt. Diese ergab, dass 87 Prozent der Kunden auf die T & R
Anlagen fahren, um das WC aufzusuchen. Im Zuge der Umfrage gaben 99
Prozent der Befragten an, dass sie eine kompromisslose Sauberkeit der
sanitären Anlagen fordern. Neben der Sicherheit über das zu
erwartende Produktangebot in den Shops, wurde ebenfalls ein
serviceorientiertes Personal und ein klares Markenprofil als Signal
für diese Leistungsangebote genannt. Als Antwort auf die
Kundenerwartungen etablierte T & R das SANIFAIR-Konzept. Dieses
Toiletten-Konzept basiert auf der Umsetzung der Kundenwünsche, wie
beispielsweise eine berührungslose Nutzung der Armaturen und
Spülsysteme, sowie familien-, kind- und behindertengerechte Lösungen.
Der Sanitärbereich ist nach Einwurf von 50 Cent betretbar und der
Gast erhält einen Gutschein, den er verlustfrei beim Kauf im Shop
oder Restaurant einlösen kann. Die Kundenzufriedenheit ist durch das
Konzept signifikant gestiegen, so Marlière. Serways biete neben den
sanitären Innovationen auch kulinarische Neuerungen. Durch die
Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern wie beispielsweise
Segafredo im Kaffeebereich und der Fast-Food-Kette Burger King sieht
Marlière die Möglichkeit, durch starke Marken das Vertrauen der Gäste
in die neue Brand Serways zu gewinnen und zu binden. Serways hat
hierfür insgesamt 549 Module der jeweiligen Marken innerhalb von vier
Jahren integriert.
Aus der Sicht eines Süßwarenherstellers erläuterte Harm Humburg
(Ferrero oHGmbH) die Situation an Tankstellen. Das durchschnittliche
Jahreswachstum bei den Süßwaren sei in den letzten sechs Jahren um
fast zwei Prozent zurückgegangen. Dies führte der Verkaufsleiter vor
allem auf das Shop-Geschäft zurück: „Früher kauften die Leute
Schokoriegel, um ihren Hunger zu stillen. Heute befriedigen sie ihr
Hungergefühl mit Bistro-Produkten. Somit verlieren die Riegel ihre
Monopolstellung“, konstatierte Humburg. Auch Ferrero versucht diesem
Trend mit einem modifizierten Category Management entgegenzutreten.
Da ein großer Teil der Süßwarenkäufe Impulskäufe seien, müsse diese
Tatsache bei der Platzierungssituation stärker berücksichtigt werden,
forderte Humburg.
Die Frage, ob Kaufanreize am Verkaufsort tatsächlich den Umsatz
erhöhen, beantwortete Ralf Butterbach (Nestlé Deutschland AG). 70
Prozent aller Kaufentscheidungen würden am Point of Purchase (POP)
getroffen. Vor diesem Hintergrund erörterte der Key Account Manager
das Verhalten des durchschnittlichen Schokoladenessers in der
Tankstelle. Anhand der Tankstellenstudie von Bormann & Gordon aus dem
Jahr 2004 zeigte Butterbach, dass 72 Prozent der Tankstellenkäufer
ihre Süßigkeiten ungeplant kaufen. Diese Impulskäufe erfolgten zu 40
Prozent beim Warten an der Kasse. Somit rücke die Kassenzone in den
Fokus der Marketingstrategen. Hier solle sich die Segmentierung in
den Regalen vor allem nach den Kaufmotiven und nicht nach den
Herstellern richten. Da Displays im Shopbereich bei Süßigkeiten zu
Mehrverkäufen von 10 bis 30 Prozent führten, zeigte Butterbach
Beispiele für gelungene Platzierungen, die das Shop-Konzept nicht
störten. Ebenso zeigten Cross-Selling-Strategie einen positiven
Effekt auf den Absatz von Süßwaren. Nicht zu vernachlässigen sei
ebenfalls das Einkaufserlebnis. Vor allem Kinder fühlten sich durch
eine erlebnisorientierte Präsentation der Waren angezogen, die zum
Anfassen, Bewegen oder Staunen einladen. Aber auch Erwachsene
erwarten immer mehr Unterhaltung beim Kauf.
Dirk Bittermann (BBDO Düsseldorf) erläuterte auf dem etablierten
Branchentreff die Do´s und Don´ts für die effektive
Markenkommunikation an der Tankstelle. BBDO nahm anhand der
Allensbacher Werbeträgeranalyse aus dem Jahr 2004 die Zielgruppe des
„Homo Tankonomicus“, wie Bittermann ihn nannte, in den Fokus der
Untersuchung. Das Ergebnis der Studie kristallisiere eine klar-
definierte Zielgruppe heraus: Der Tankstellenkunde sei demnach
überwiegend männlich, im besten Alter (40-49 Jahre), hoch gebildet,
beruflich erfolgreich und konsum-, luxus- und technik- orientiert.
„Somit ist dieser kein „Geiz ist geil“-Käufer, sondern eine
hochattraktive Zielgruppe“, so der Marketing-Experte weiter. Auch
Bittermann kam zu dem Schluss, dass zu viele Marken, zu viele Medien
und zu viele Botschaften auf den Kunden einströmen. Dies habe eine
sinkende Markenloyalität zur Folge, was auch eine Umfrage bestätigte:
Im Jahr 2002 glaubten noch 50 Prozent der Befragten, dass sich der
Kauf von Markenartikeln lohne, im Jahr 2004 nur noch ein Drittel. Die
Tankstelle habe jedoch die Chance vom Point of Sales (POS) zum Point
of Brand (POB) zu werden. Der POS der Tankstelle sei wie kein anderer
in das Netz der mobilen Medien integriert. Der Kombination von
Kundendaten und Location Based Services mache es möglich,
segmentierte Zielgruppen aktuell und individuell anzusprechen. Dies
sei für die beschriebene Zielgruppe des „Homo Tankonomicus“ ebenso
interessant wie auch für Trucker. „Die persönliche Ansprache mit als
relevant empfundenen Inhalten liefert Added Value und ist damit ein
wichtiger Schlüssel zu Kundenzufriedenheit und Kundenbindung,“ meinte
Bittermann. Als eine besondere Herausforderung für die
Werbetreibenden sah Bittermann den Digital Video Recorder (DVR).
Dieser sei in der Lage Werbeblöcke zu überspringen. Noch sei der DVR
in Deutschland wenig verbreitet, in den USA nutzten bereits 75
Prozent der Fernsehzuschauer das neue Gerät. „Das bedeutet, dass wir
neue Wege zum Verbraucher finden müssen, inhaltlich und medial. Vor
allem darf die Werbung der Zukunft nicht nerven, sondern muss
unterhalten.“ Bittermann sieht DVR aber nicht nur als Bedrohung der
klassischen Werbung, wie wir sie heute kennen, sondern ermutigte die
160 Teilnehmer rechtzeitig nach innovativen Kanälen zur
Kundenansprache zu suchen: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen,
ist, sie zu gestalten“, proklamierte Bittermann abschließend.
Prof. Dr. Michael Bienert (FH Hannover) gab auf der Handelsblatt
Jahrestagung einen allgemeinen Überblick über die veränderten
Aufgaben des Tankstellen-Marketings. Ein Beispiel sei der Trend zur
Ökologisierung, welcher auch den Tankstellenbereich berühre: „Nach
meinem Geschmack wird das noch sehr defensiv eingesetzt“, so Bienert.
Weiter müsse sich das Marketing mit den Trends Gesundheit und
Wellness, Bevölkerungsentwicklung und Discount auseinander setzen.
Bienert plädierte darüber hinaus für eine intensivere Nutzung
softwaregestützter Markt-, Wettbewerbs-, Standort- und
Potenzialanalysen. Vor allem das Individualmarketing müsse verbessert
werden: „Vom 1:1 Marketing sind wir nach meinem Dafürhalten noch sehr
weit entfernt.“ Hier stellte Bienert anhand von Beispielen die
Möglichkeiten der wissenschaftlichen Datenanalyse und Auswertung vor.
Neben diesen Instrumenten der Marktforschung müsse aber auch ein
weiterer entscheidender Faktor betrachtet werden: das Personal.
„Markt- und Umweltveränderungen erfordern die Anpassung von Abläufen,
Produkten und Service, doch der personelle Anpassungsbedarf findet
aus den unterschiedlichsten Gründen nicht statt“, stellte Bienert
fest. Für den Convenience-Markt sah er trotz anhaltender
Konjunkturschwäche eine positive Entwicklung voraus: Der Pro-Kopf-
Verbrauch stieg von 22,2 Kilogramm im Jahr 1991 auf 34,6 Kilogramm im
Jahr 2003. Tendenz steigend.
Walter Pfeiffer (Accenture) berichtete über seine Erfahrungen mit
Loyalty Konzepten für Tankstellen. „Loyalität ist eine emotionale
Bindung an, oder vertrauensvolle Beziehung zu einem Produkt, einer
Marke oder einer Dienstleistung.“, so Pfeiffer. Er stellte
verschiedene Loyalty-Konzepte wie beispielsweise Pay back und Club
smart vor und erläuterte die verschiedenen Strategien. Anhand einer
Accenture Studie wies er nach, dass sich Kundenbindungsprogramme
positiv auf den Kraftstoffabsatz auswirken. Um erfolgreich zu sein,
müssten sich die Programme dabei durch erreichbare und attraktive
Prämien auszeichnen. Doch nicht nur die Kundenzufriedenheit stünde
bei Loyalty-Programmen im Vordergrund. Die gewonnenen Kundendaten
seien die Grundlage für ein tieferes Kundenverständnis, eine
verbesserte Kundenansprache sowie ein optimiertes und
kundenorientiertes Produkt- und Leistungsangebot. Bittermann wies zum
Abschluss seines Vortrages darauf hin, dass nur bei wenigen
Kundenbindungsprogrammen das volle Potenzial dieser Marketingmaßnahme
ausgeschöpft würde.
Oliver Bank (Homann-Feinkost GmbH & Co. KG) stellte Convenience-
Chilled-Food-Ideen für das Kühlregal in der Tankstelle vor. Der
Feinkosthersteller Homann hat sich mit seinen neuen Produkten auf den
Trend zum Kauf von herzhaften Snacks an Tankstellen eingestellt. Hoch
convenient seien die neuen Imbisse, zudem benötigten sie keine
weiteren Verarbeitungsschritte wie beispielsweise Erwärmen und
belasteten somit auch nicht das Tankstellenpersonal. Bank ist
zuversichtlich, mit den neuen Produkten aus der Pack2Snack-Reihe
Chilled Food im Convenience-Bereich erfolgreich im Markt zu
etablieren.
Pressefotos zu der Veranstaltung finden Sie im Internet unter:
http://www.huw-pressefotos.de.vu/
Den Bericht finden Sie auch im Internet unter:
www.euroforum.de/presse/huwbericht
Ansprechpartner für die Redaktion:
Jacqueline Jagusch M.A. phil.
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