Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Nebeneinkünften von Parlamentariern
Bielefeld (ots)
Nun lässt sich im Internet unter www.bundestag.de nachlesen, was die Abgeordneten an Nebeneinkünften haben. Doch was nützt die stundenlange Fleißarbeit vor dem Computer? Schlauer machen die Angaben kaum. Zwar lässt sich notieren, dass Friedrich Merz (CDU) acht Nebentätigkeiten der Stufe 3 angibt, für die er jeweils mindestens 7000 Euro im Jahr erhält. Macht zusammen mindestens 56000 Euro. Es könnte aber auch deutlich mehr sein... Dabei ist dem prominentesten Kritiker der nun gültigen Anzeigepflicht nichts vorzuwerfen - das Gesetz sieht einfach keine genaueren Angaben vor. Fragt sich, warum der Protest gegen die noch junge Praxis nicht abreißt. Ein Sturm im Wasserglas etwa? Nicht ganz, denn das im Grundgesetz verbriefte Recht auf informationelle Selbstbestimmung gilt natürlich auch für Volksvertreter. Und genau das wird durch die Veröffentlichungspflicht eingeschränkt. Hinzu kommt, dass das Thema Einkommen in Deutschland, anders als in anderen Ländern, ein Tabuthema ist. Zwar ist der Abgeordnete auch in Sachen Bezahlung kein Ottonormalbürger. Aber die Frage sei erlaubt: Sprechen Sie offen über Ihr Gehalt? Bleibt das Unbehagen an einer Regelung, die die Grundrechte der Volksvertreter bewusst einschränkt, dem Bürger aber offenkundig wenig nutzt. Was tun? Möglichkeit 1: Die Nebeneinkünfte müssen konkret benannt werden. Dann ist nicht nur zu sehen, welcher Parlamentarier wie viel nebenher verdient, sondern auch, wer versucht, sich Einfluss auf die Abgeordneten zu sichern und durch welche Summen. Das wäre Transparenz. Das Risiko: Vor allen Dingen Freiberufler und Unternehmer könnten auf eine Kandidatur verzichten, die Übermacht der Beamten im Parlament würde weiter wachsen. Möglichkeit 2: Nebentätigkeiten und damit Nebeneinkünfte werden untersagt. Im Gegenzug steigen die Diäten - derzeit 7009 Euro plus eine steuerfreie Kostenpauschale von 3720 Euro - deutlich, für den Anfang müssten sie mindestens verdoppelt werden. Die üppige Altersversorgung wird hingegen reduziert. Nach zwei Wahlperioden ist Schluss für den einfachen Abgeordneten, Regierungsmitglieder müssen nach maximal vier Legislaturperioden ihren Abgeordnetensessel räumen. Das Parlament wird deutlich verkleinert. Die weitere Anpassung der Diäten ist nicht mehr Sache der Abgeordneten, sondern einer unabhängigen Kommission. Die Vorteile: Das Bundestagsmandat bleibt finanziell lukrativ. Die Karriere als Berufspolitiker wird aber deutlich erschwert - es gibt ein Leben vor und vor allem nach dem Bundestag - was gerade der Bodenständigkeit der Politiker dienlich sein dürfte. Die stärkere Rotation zwingt die Parteien, sich immer wieder neu um Personal zu bemühen. Schließlich: Der bei jeder Diätenerhöhung aufkommende Vorwurf der Selbstbedienung ist aus der Welt. Hinzu kommt der Lernprozess für die Bürger: Wer die besten Köpfe für sich allein haben will, muss sie auch entsprechend bezahlen - und zwar selbst.
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