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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Stammzellen-Debatte

Bielefeld (ots)

Klarer Fall von Bundestagskompromiss: Erst keine
Mehrheit für die Freigabe der Stammzellenforschung, dann aber auch 
keine für ein Totalverbot, deshalb in der dritten Abstimmung 
schließlich eine ausreichende Mehrheit fürs Weitermachen - mit 
frischerem Zellmaterial.
Nach der Systematik des Berliner Debattenbetriebs ist die 
Stammzellentscheidung ganz einfach. Bei ganzheitlicher Betrachtung 
ist sie es überhaupt nicht.
 In einer Frage um Leben und Tod gibt es keine Kompromisse. Wer 
trotzdem so tut, täuscht jeden - einschließlich sich selbst.
Sind embryonale Stammzellen mehr Sache oder mehr Mensch? Die Antwort 
ist unmöglich. Deshalb konnte das Parlament nur »jein« sagen.
Damit müssen wir offen und ehrlich festhalten: Der vom Volk in freier
und geheimer Wahl gewählte Deutsche Bundestag hat stellvertretend für
uns alle am Freitag entschieden, dass man Leben töten darf, um 
Forschungen zu erlauben, die möglicherweise anderes Leben bewahren.
Kurzum: Der Embryonenverbrauch im Labor ist zulässig, der Beschluss 
ist legitim, er muss von der unterlegenen Seite akzeptiert werden und
das, obwohl er gleich mehrere Menschen- und Grundrechte missachtet.
Der Gesetzgeber hat damit nicht zum ersten Mal gegen menschliches 
Leben entschieden. Die inzwischen millionenfach erfolgte 
Straffreistellung von Abtreibungen in den ersten drei Monaten der 
Schwangerschaft gibt es seit der Ära Helmut Kohl. Auch ist die 
gegenwärtige Koalition nicht willens, trotz vertraglicher 
Vereinbarung die Tötung behinderten Lebens bis zum neunten Monat zu 
beenden. Niemand stört Verhütung mit der Spirale oder die Pille 
danach: Auch das sind Verstöße gegen den Grundsatz, dass menschliches
Leben mit der Verschmelzung von Samen und Eizelle beginnt. Politisch 
ebenfalls ungeklärt sind manche Gratwanderungen am Ende eines Lebens,
wenn Gnade mit Recht ringt.
 Der Grundwert von der Unverletzlichkeit menschlichen Lebens ist 
soweit unterlaufen, dass wir ihn fast schon für aufgehoben erklären 
müssten.
 Hand aufs Herz: Was möglich ist, wird auch gemacht. Die 
ungeschriebene Regel wissenschaftlicher Praxis ist am Freitag einmal 
mehr nachträglich begünstigt worden.
Vor diesem Hintergrund erscheinen die Heilsversprechen der 
Stammzellforschung zweitrangig. Gerade weil der Gesetzgeber so 
unsäglich lange keine Meinung hatte, ist auf dem Wissenschaftsgebiet 
einiges deutlicher geworden: Trotz weltweit riesiger 
Forschungsanstrengungen sind brauchbare Therapien ausgeblieben. Weder
Parkinson noch Demenz oder Lähmungen sind auf absehbare Zeit heilbar.
Wer aktuell an diesen tückischen Krankheiten leidet, darf nur ganz 
leise hoffen.
Zu guter Letzt: Aus Sicht der katholischen Bischöfe und vieler 
Gläubiger haben sich 346 Bundestagsabgeordnete am Freitag ganz klar 
am menschlichen Leben versündigt - allerdings in allerbester Absicht.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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