Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Papstbesuch in den USA
Bielefeld (ots)
»Keines meiner Worte kann den Schmerz und den Schaden beschreiben, den solcher Missbrauch bringt. Es ist wichtig, dass denen, die gelitten haben, liebende, seelsorgerische Aufmerksamkeit zuteil wird.« Erst ließ Benedikt XVI. mit ungewöhnlich klaren Worten im Baseballstadion von Washington vor aller Öffentlichkeit aufhorchen, dann folgten der Predigt Taten. Hinter verschlossenen Türen stellte er sich den Opfern sexuellen Missbrauchs durch seine eigenen Priester. Der Mann an der Spitze von einer Milliarde Katholiken ging einen Weg, zu dem seine Kirche lange nicht fähig war. Benedikt markiert damit in einer kirchenhistorisch einmaligen Geste einen Punkt, hinter den kein Kirchenführer mehr zurück kann. Nicht im weltumspannenden Apparat der römisch-katholischen Amtskirche, aber auch nicht auf Seiten eifernder Kritiker. Lange war schamhaft verschwiegen worden, dass sich 5000 pädophile Priester von 1950 bis 2002 an mehr als 13 000 Minderjährigen sexuell vergangen hatten. Losgelöst von der schweren Sünde, die sie damit gegenüber Gott begingen, steht jetzt vor allem das Leid und die nie zu heilende seelische Verletzung der Opfer im Blickpunkt. Nicht zu vergessen: US-Diözesen zahlten Schweigegelder in Milliardenhöhe. Rom hielt lange still. Joseph Ratzinger selbst hatte als Vorsteher der Glaubensbehörde tiefen Einblick in den Skandal. Viele Fälle gingen über seinen Tisch. Man hat ihm das zu Recht vorgehalten. Aber erst jetzt sehen wir den Deutschen auf dem Stuhl Petri in seiner Gesamtheit. Als Papst ist Ratzinger unumkehrbar in die Offensive gegangen. Sein Schritt signalisiert aller Welt: Das Totschweigen des Missbrauchproblems im Weinberg des Herrn muss ein Ende haben. Statt vorrangig die Täter zu schützen, gilt für Benedikt, sich den Opfern zuzuwenden. Konsequent, wenngleich ganz anders gelagert, war dann auch seine fromme Botschaft vor den Vereinten Nationen. Als Sprecher der gesamten Christenheit, viellicht sogar aller Gläubigen dieser Welt, verlangte er mehr Anstrengungen zum Schutz der Menschenrechte. Auch wenn dies wiederum »nur« eine Rede war, so müssen die Worte vielen Delegierten im weltumspannenden Parlament in den Ohren geklungen haben. Ständig stattfindende Verletzungen der Menschenrechte - mal in dieser, mal in jener Ausprägung - dürften nicht zu einem »pragmatischen Ansatz« führen, sprach Benedikt den Diplomaten ins Gewissen. Ganz oder gar nicht: Die vor 60 Jahren beschlossene Erklärung der Menschenrechte dürfe niemand selektiv in Anspruch nehmen, sagte Benedikt, ohne China, USA oder einzelne Potentaten zu nennen. So schlichte Sätze wie »Menschenrechte gelten für alle Menschen« können eben doch ganz besonders klingen - nämlich dann, wenn sie ein Papst ausspricht, der mit dieser USA-Reise einen Glanzpunkt seines Pontifikats gesetzt hat.
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