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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zum Börsengang der Bahn:

Bielefeld (ots)

Achtung an der Bahnsteigkante! Der Bundes-ICE
fährt in Kürze am Bahnhof Börse ein.
Viele hatten den Privatisierungszug für diese Legislaturperiode schon
abgeschrieben. 14 Jahre ist er nun unterwegs. Das ist selbst für die 
Deutsche Bahn, wo Verspätungen heutzutage an der Tagesordnung sind, 
ein bisschen viel. Eine Ursache für die lange Fahrtdauer ist 
natürlich die schwierige Topographie. Auf Umwegen und bei 
unterschiedlichen Bremsmanövern hat der Privatisierungszug viel an 
Tempo - und Begeisterung - eingebüßt.
Dabei ist es doch gelungen, gegen den Willen der Lokführer Wolfgang 
Tiefensee und Hartmut Mehdorn einige wichtige Weichen neu zu stellen.
Wichtig ist vor allem, dass die Pflege und der Ausbau des 
Schienennetzes weiterhin in Staatshand bleiben. Gleise und Bahnhöfe 
in die Verfügung der Bahn-Aktiengesellschaft zu geben, hätte nicht 
nur die vorhandene Infrastruktur in Gefahr gebracht. Eine solche 
Entscheidung hätte auch wirklichen Wettbewerb verhindert.
Es war ein SPD-Parteitag, der hier die Notbremse gezogen hat. Umso 
erstaunlicher, dass nun trotzdem zwei Dutzend sozialdemokratische 
Abgeordnete bei der Abstimmung im Bundestag nicht in den 
Koalitionszug einsteigen wollten. Die Linke spricht gar von 
»Enteignung« des Volkes. Dabei werden zwei Drittel der erhofften acht
Milliarden Euro Einnahme in das Schienensystem oder in den 
Bundeshaushalt fließen. Mindestens diese Gelder müssen den Steuer 
zahlenden Teil des Volkes entlasten.
Am anderen Ende des politischen Meinungsspektrums kritisiert die FDP,
dass der Privatisierungszug zu früh gestoppt worden sei. Durch seinen
Zugriff auf das Netz bleibe der Staat in der Verantwortung - und in 
der Zahlungspflicht. Dabei übersehen die Freidemokraten, dass die 
Investitionen in die Schienen über die Netzgebühr natürlich auf die 
Betreiber umgelegt werden müssen.
Im gesellschaftlichen Leben sind Namen manchmal Schall und Rauch. In 
der Politik sind sie dagegen oft Programm. Insofern könnte die 
englische Bezeichnung »DB Mobility & Logistics« für den Teil der 
Bahn, der nun zu 25 Prozent privatisiert wird, nahelegen, dass die 
Mehdorns in den Zugführerkabinen den Traum von einer Weltbahn noch 
nicht aufgegeben haben. Die Aussicht, dass »unsere« ehemalige 
Bundesbahn künftig durch Misserfolge etwa in China gebremst werden 
könnte, weckt durchaus zwiespältige Gefühle.
Und was ist mit russischen Oligarchen im künftigen Aufsichtsrat der 
Bahn? Wir werden uns daran gewöhnen. Nur etwa fünf Prozent des 
Grundkapitals sollen an die Börse gegeben werden. 20 Prozent gehen 
dagegen als Zuteilung an interessierte Investoren. Da kann man nun 
wirklich nicht mehr von einer »Volksaktie« reden.
Bleibt zu hoffen, dass keine neuen Negativnachrichten aus dem 
Finanzsektor die Stimmung der Marktteilnehmer weiter trüben. Sonst 
wird aus der Einfahrt des Bundes-ICE im Bahnhof Börse am Ende ein 
grandioser Flop.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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