Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Bielefeld (ots)
Jeder Bergsteiger weiß: Es mag schwer sein, einen Gipfel zu erklimmen, heil herunterzukommen ist schwerer. Diese Erfahrung mussten gestern auch Kanzlerin Angela Merkel und die Regierungschefs der 16 Bundesländer beim Bildungsgipfel machen. Geradezu ins Uferlose waren in den vergangenen Tagen die Erwartungen an das Treffen in Dresden gewachsen. So kam es, wie es kommen musste: viele wohlklingende Worte und Absichtserklärungen, ein paar gute Ansätze, kaum Wegweisendes - Symbolpolitik. Dass es nun einer »Strategiegruppe« bedarf, um die Finanzierung der Beschlüsse zu klären, und die für diese Arbeit ein Jahr Zeit bekommt, lässt Böses ahnen. Der Bildungsgipfel ist vom 8000-er im Himalaja zum Erdhügel in der norddeutschen Tiefebene geschrumpft. Schuld daran tragen alle Beteiligten. Zu allererst muss man die Bundeskanzlerin nennen. Angela Merkels Formulierung von der »Bildungsrepublik Deutschland« mag stimmen, war für die Zusammenkunft aber mehr Bürde als Würde. Das Motiv der CDU-Chefin ist nachvollziehbar: Sie will das Feld keinesfalls der Konkurrenz überlassen. Schließlich ist der Bundestagswahlkampf nicht mehr weit, da heißt es eben: »Bildung ist Chefsache« - das klingt gut! Dummerweise nur spielt der Bund in Sachen Bildungspolitik allenfalls die zweite Geige. Bildung ist Ländersache. So konnte es kaum verwundern, dass sich die Gipfel-Begeisterung der Ministerpräsidenten von vornherein in Grenzen hielt. Von »Das machen wir selbst« bis »Die sollen uns lieber mal mehr Geld geben« reichten die zuletzt auch offen geäußerten Unmutsbekundungen. Dabei machten die Landesfürsten der Union keine Ausnahme. Genau dieser Bund-Länder-Streit um Geld und Einfluss lähmt die deutsche Bildungspolitik seit Jahrzehnten. Es geht zu oft um Macht- und nicht um Sachfragen. Es wird blockiert statt reformiert, parteipolitisch taktiert statt inhaltlich debattiert. Früher war es - zynisch gesagt - egal, dass nicht alle Talente ausreichend gefördert worden. Qualifizierten Nachwuchs gab es trotzdem genug. Heute wissen wir, dass der Fachkräftemangel bald Realität wird. Und seit der ersten PISA-Studie im Jahr 2001 ist offensichtlich, dass unser Bildungssystem verbesserungsbedürfig ist. Wir brauchen mehr staatliche Angebote für frühkindliche Bildung. Wir müssen verhindern, dass die Auslese vornehmlich von sozialen Kriterien bestimmt wird. Wir brauchen mehr Wettbewerb im Schulsystem sowie größere Durchlässigkeit, auch im Bereich der Hochschulen. Einige der gestrigen Beschlüsse mögen diesen Erkenntnissen Rechnung tragen, der große Wurf aber ist ausgeblieben. Signalwirkung wird der Bildungsgipfel nicht entfalten. Es bleibt beim bildungspolitischen Klein-Klein. Noch vor dem Bund-Länder-Treffen hatten die Kultusminister eine Fortsetzung angemahnt. Davon war nach dem Gipfel keine Rede mehr. Warum auch? Wenn man den Weg ins Tal nur mit Ach und Krach geschafft hat, muss man ja nicht gleich wieder rauf.
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