Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zum CDU-Parteitag:
Bielefeld (ots)
Hat Angela Merkel Angst vor Steuersenkungen, ist das Ausland entsetzt über ihre allzu ruhige Hand, redet sie die Krise schön? Die 1001 Delegierten beim CDU-Bundesparteitag in Stuttgart lassen solch kritische Fragen der politischen Konkurrenz kalt. Mit 94 Prozent - und damit noch ein Deut besser als vor zwei Jahren - hat die Union gestern ihre »starke Frau für Deutschland« (Stanislaw Tillich) als Parteivorsitzende eindrucksvoll bestätigt. Genauso groß ist das Vertrauen der Union darin, dass Merkel als Kanzlerin in der aktuellen Krise möglichst alles richtig macht. Sie muss nicht wie in Weimarer Zeiten mit Notverordnungen regieren, aber sie tut, was ihres Erachtens die Not verordnet. Trotz unüberhörbarer Rufe nach Steuersenkungen bleibt sie hart - und ihre CDU steht ebenso in Treue fest. Auch die stellvertretenden Parteivorsitzenden kamen in den Genuss des neuen gemeinsamen Zusammenstehens. Nicht einer der drei Ministerpräsidenten hatte in Dresden 2006 in etwa das erreicht, was er sich erhofft hatte. Jetzt werden der Wirtschaftswahlkämpfer Koch, der Johannes-Rau-Jünger Rüttgers und der biedere Niedersachse Wulff jeder auf seine Art die Reihen im Wahljahr 2009 geschlossen halten, nicht zuletzt zu ihrem eigenen Nutz und Frommen. In früheren Jahren war die Selbstdisziplin schon in weit weniger dramatischen Zeiten bei weitem nicht so ausgeprägt. Auch wenn die Union nie so radikal und aus dem Bauch heraus gehandelt hat wie etwa die SPD, die sich schon mal von einem Oskar Lafontaine berauschen ließ, so zeigt die Nibelungentreue von gestern doch außergewöhnliche Folgsamkeit. Immerhin verzichtete die Parteichefin im Prinzip auf Mitsprache, obwohl es Dutzende von Vorschlägen gibt, was gerade jetzt getan werden müsse. Niemand fragte gestern nach, warum die Union die Steuern senken will, wenn die Konjunktur brummt, das aber vehement ablehnt, wenn Rezession droht. Manche machten allenfalls andersherum einen Schuh daraus und spotteten über den gar nicht erst erschienenen neuen CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Der musste erklärtermaßen in München bleiben, um die Pleite der Bayerischen Landesbank abzuwenden. Er gebe die Milliarden aus, unkten einige, die dem Staat fehlten, wenn die Steuern sofort gesenkt würden. Merkel empfiehlt auf der Suche nach dem Weg aus der Krise die Lebenserfahrung einer schwäbischen Hausfrau. Ihr Generalsekretär Ronald Pofalla stellt den ehrbaren Kaufmann in die Mitte künftiger Wirtschafts- und Krisenbewältigungpolitik. Beides spricht für wiedergewonnene Bodenhaftung. Zugleich schwingt aber auch eine Warnung mit. Mehr als ruhige Entschlossenheit haben wir auch nicht zu bieten. Der Parteitag hat verstanden: Merkel braucht geschlossene Reihen in Deutschland, weil die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht national, sondern nur auf globaler Ebene gelöst werden kann - wenn überhaupt.
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