Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Grünen Woche in Berlin
Bielefeld (ots)
Zum Auftakt ein kleiner Teller Krabbensuppe aus Schleswig-Holstein, danach Wildlachs mit Naturreis aus Kanada. Hundert Schritte weiter lockt ein afrikanischer Koch aus Burkina Faso die Gourmets zu Attiéké, einem Gericht aus Maniok, Fisch, Tomaten und Zwiebeln. Ein Kirgise preist Kumi an: Das ist vergorene Stutenmilch aus seinem Heimatland. Am Stand von Australien fachsimpeln Kenner über Känguru-Gulasch. Zum Ausgleich zieht es den Liebhaber heimischer Kost zu westfälischem Schinken oder Wurstebrei, zu Pumpernickel und Quarkspeise. Wie viel »Grüne Woche« verträgt der Magen? Darf man in der Krise überhaupt noch schlemmen? Lange war ein Besuch der weltgrößten Ernährungsmesse in Berlin nicht mehr mit so viel Bauchgrummel verbunden wie 2009. »Spaß pur« war zwar auch 2008 nicht angesagt. Damals fragten die Klimaschützer, ob wir uns jeden Tag Fleisch sowie Erdbeeren selbst im tiefsten Winter noch leisten können. Ihr Anliegen wurde in der Zwischenzeit nicht wirklich erfüllt. Hinzu gekommen sind stattdessen allgemeine Zukunftsängste infolge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Werden sie den Appetit der Menschen hemmen? Mit einem »Gegessen wird immer« allein wird die neue Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner die deutschen Bauern und die Ernährungswirtschaft nicht ruhig stellen können. Zum einen stecken sie - genau wie andere Unternehmer - unverschuldet beim Kauf eines neuen Mähdreschers oder einer neuen Abfüllanlage in der Kreditklemme. Zum anderen ist es eben nicht egal, ob die Verbraucher im Lebensmittelgeschäft zuerst auf die Verpackung oder auf die Zutatenliste oder - wie viele Jahre in der Vergangenheit - auf das Preisschild schauen. Der Protest der Milchbauern hat im vergangenen Sommer zwar sehr viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, aber am Ende nicht die Ernte eingebracht, die sich die streikenden Bauern erhofft hatten. Vielleicht braucht es auch nur etwas mehr Geduld. Der Ökolandwirtschaft wurde jahrelang ebenfalls jede Zukunftschance abgesprochen. Inzwischen jedoch nähert sich die Bio-Anbaufläche der Grenze von einer Million Hektar. Dies entspricht zwar erst einem Anteil von knapp sechs Prozent. Doch die Zuwachsrate - immerhin im fünften Jahr zweistellig - weckt auch deshalb Hoffnung auf Fortsetzung, weil die Ökobranche naturgemäß mehr Menschen in Lohn und Brot hält als die konventionelle Landwirtschaft. Auch die große Mehrheit der Landwirte muss wegen der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht in Panik verfallen. Zusätzliche Kunden unter den Energieerzeugern haben die Preise für Getreide, Mais und andere Agrarprodukte deutlich ansteigen lassen. Dazu kommen die großen Exporterfolge in Deutschland hergestellter Nahrungsmittel. Selbst die seit langem in der Krise steckenden Ferkel- und Schweinezüchter sehen aktuell angesichts einer Preiswende wieder Licht am Horizont. Das reicht nicht für ein Festmahl - nur für ein Quäntchen Optimismus.
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