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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:

Bielefeld (ots)

»Anstand« ist ein antiquiertes Wort. Es kann mit
»Schicklichkeit« oder »der guten Sitte entsprechendes Benehmen« 
umschrieben werden. Das macht es zwar auch nicht schicker, aber in 
der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung wünscht man sich doch 
sein schnelles Comeback. Auch im Sport, in dem die Gier wie in der 
Hochfinanz die Gehirne vernebelt und die Sicht auf die Realität 
verstellt hat.
Teamausstiege und Einsparkurs in der Formel 1, Aussteiger in der 
Rallye-WM und der Rallye Dakar, stark reduziertes Feld im 
Hochgeschwindigkeitszirkus Nascar, eine durch Insolvenzen 
vorweggenommene Abstiegsentscheidung in der Handballbundesliga, 
Dopingfälle anscheinend ohne Ende: Pleiten, Pech und Pannen bestimmen
derzeit die Meldungen über die eigentlich schönsten Nebensachen der 
Welt. Nun ist es das Vorrecht älterer Menschen, auf die gute, alte 
Zeit hinzuweisen, die ja meist vor allem alt und nie nur gut war. Das
Streben nach Millionen, nach Milliarden hat aber doch beängstigende 
Ausmaße angenommen.
Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, wird nicht nur medial für 
sein Jahresgehalt von mehr als zehn Millionen Euro abgewatscht. Die 
Irrsinnssummen, die im Sport gezahlt werden, erfahren deutlich 
weniger Widerspruch. Michael Schumacher verdiente im Kreisverkehr 
schon über 500 Millionen Euro, Tiger Woods wird die Milliarden-Marke 
(in Dollar) knacken, weil er einen weißen Ball mit weniger Schlägen 
als andere in kleine Löcher bugsieren kann. Fußballer verdienen in 
Serie mehr als zehn Millionen Euro jährlich. Die Liste ließe sich 
beliebig fortsetzen. Doch das finanzielle Gebilde Sport ist fragil. 
Nicht alles was geht, ist gut oder gar auf Dauer haltbar, geschweige 
denn anständig.
So ist das Gejammer des Handball-Primus THW Kiel über die Rhein 
Neckar-Löwen, das Gezeter der Fußballbundesliga über die TSG 
Hoffenheim, die Kritik des Sportrechte-Großhändlers Günter Netzer an 
den »englischen Verhältnissen« höchst unanständig. Denn auch sie 
haben auf ihren Gebieten jene Lawine losgetreten, die derzeit droht, 
große Teile des Bewegungsgeschäftes unter sich zu begraben.
In den guten, alten Zeiten finanzierte sich der Sport hauptsächlich 
durch Zuschauereinnahmen. Dann kamen die TV- und Sponsorengelder 
dazu, die irgendwann das Übergewicht in den Budgets bekamen. Folge: 
Der Fan wurde fast zum ungebetenen Gast, aber sogar 
Zuschauerrückgänge konnten durch Einnahmesteigerungen in anderen 
Bereichen kompensiert werden. Doch diese Spirale lässt sich nicht 
unendlich drehen. Das zeigt sich nicht erst im Jahr 2009.
Da ist es doch bemerkenswert, wenn ein Mann wie der 
Handballnationalspieler Holger Glandorf seinem finanziell 
angeschlagenen Verein bis zum Ende die Treue hält und seinen 
Vereinswechsel nach Lemgo als letzten Dienst an Nordhorn versteht. 
Natürlich wird er beim TBV auch gut verdienen. Aber dennoch: Dieses 
Verhalten war vorbildlich und außerdem höchst anständig.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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