Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Bielefeld (ots)
»Gott schuf in seinem Zorn die Senne bei Paderborn.« Schon zehntausenden Soldaten ging bei Manövern, Übungen und langen Märschen dieser Seufzer über die Lippen. Jetzt sorgt der Truppenübungsplatz bei Zivilisten in den Anrainerkommunen für Unmut, weil die britischen Streitkräfte dort sechs Kampfdörfer und einen Höhlenkomplex errichten und Sandpisten betonieren möchten. Wer in Schlangen oder Augustdorf bei schönem Wetter auf dem Balkon Kaffee trinkt, kennt das: Die Tasse fängt an zu wackeln, weil die britischen Soldaten Krieg üben. Die Sorge um Ruhe und die Furcht, die Natur in dem einzigartigen Biotop mit den Heiderasenflächen werde zerstört, sind berechtigt. Vielleicht wären die Briten besser beraten gewesen, wenn sie ihre Pläne erst 2010 vorgestellt hätten. Und nicht in einem Jahr, in dem Kommunalwahlen anstehen und Bürgermeister und ihre Herausforderer umso lauter gegen die Kampfdörfer protestieren, um sich bei den Wählern nicht dem Vorwurf auszusetzen, sie hätten sich nicht energisch genug für das Ruhebedürfnis der Bürger eingesetzt. Einen Vorgeschmack bekamen die Briten, als sie jüngst die Pläne bei der Bezirksregierung Detmold vorstellten. Entscheidend für die Beurteilung von Sinn oder Unsinn der Kampfdörfer ist die Frage nach dem Bedarf. Der ist gegeben: Die Bundeswehr hat Hammelburg, die US-Armee hat Hohenfels. Nur die Briten können den Klein- und Stellungskrieg in afghanischen und irakischen Dörfern nicht frei üben, weil sie auf das Entgegenkommen der Amerikaner in Hohenfels angewiesen sind. Warum errichten die Engländer die Dörfer nicht auf ihrer Insel? Weil sie im näheren Umfeld der in Deutschland stationierten Truppen angesiedelt sein müssen. Soldaten sind zur Zeit in 80 Ländern eingesetzt, viele kommen aus der Rheinarmee und aus Paderborn. Ihr Einsatztempo ist hoch. Das Ziel der Militärführung, zwischen den sechsmonatigen Auslandsaufenthalten zweijährige Pausen zu ermöglichen, ist kaum zu erreichen. Würden Soldaten aus Paderborn für das Training in moderner Kriegführung über Wochen nach England geflogen, wären sie noch länger von ihren Familien getrennt. Der Bedarf für die Kampfdörfer in der Senne ist also vorhanden. Was die Menschen in der Region von den Briten erwarten dürfen, ist, dass die Eingriffe in die Natur und der Lärm durch den laufenden Betrieb so gering wie möglich ausfallen. Die zuletzt vorgestellten Umweltverträglichkeits- und Lärmgutachten attestieren den Briten das Bemühen darum. Egal ob Bundesstraße, Kraftwerk, Mobilfunkmast oder Truppenübungsplatz: Kein Bürger möchte sie in seiner Nähe. Aber wenn der Bedarf unwiderlegbar und das Bemühen um eine Mensch wie Natur schonende Einbettung zu erkennen sind, fehlen Argumente gegen die Kampfdörfer. Die Ausbildung kann nicht nur englischen, sondern auch deutschen Soldaten das Leben retten, die dort für Afghanistan-Einsätze üben dürfen.
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