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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Situation im Iran:

Bielefeld (ots)

Es gehört zu den großen Leistungen der
Geschichte, dass Persönlichkeiten wie der später ermordete ägyptische
Präsident Anwar el Sadat oder auch der türkische Staatsgründer Kemal 
Atatürk über den langen politischen Schatten des Islam gesprungen 
sind. Im ersten Fall wurde die Versöhnung mit dem Gegner auf gleicher
Augenhöhe gesucht, im zweiten Fall die Trennung von Religion und 
Staat vollzogen. Denn die Dominanz der Religion auch in der res 
publica, in den politischen Dingen, gehört zu den Grundsätzen des 
orthodoxen Islam. Dafür gibt es auch einen Fachbegriff, din wa daula,
der eben besagt, dass Staat und Religion untrennbar verknüpft sind.
Über diesen langen politischen Schatten des Islam kommt das Regime 
der Mullahs nicht hinweg. Es ist für die Mullahs undenkbar, dass der 
Wille des Volkes über dem Koran steht, dass Demokratie stärker sein 
soll als der Buchstabe des Koran und die Sprüche des Propheten, 
insbesondere seines Schwiegersohns Ali, des Begründers der 
schiitischen Variante des Islam. Deshalb werden sie die 
Demonstrationen unbarmherzig niederknüppeln lassen.
Der Koran ist in islamischen Staaten so etwas wie das Bürgerliche 
Gesetzbuch bei uns. Es gibt allein 500 Koranverse, die Probleme des 
Straf- und Zivilrechts behandeln. Diese enge Verknüpfung ist es, die 
man in Europa nur schwer nachvollziehen kann, die aber im Iran, der 
ja auch eine andere historische Tradition hat, manchmal an Grenzen 
stößt.
Im Iran sind 46 Prozent der Wähler jünger als 30 Jahre. Diese Gruppe 
kennt zwar nur das Regime der Mullahs, aber diese Gruppe will auch 
die strengen Sitten und Gebräuche lockern und auch die unmenschlichen
Strafen abschaffen. Dafür gab es schon vorher Anzeichen, vor allem an
den Universitäten. Deshalb waren die Revolutionswächter, die 
Wachhunde der Mullarchie, auf Unruhen vorbereitet. Es gibt nur eine 
Chance für die Reformbewegung: die Masse zu mobilisieren. Dafür 
braucht es Informationsträger und -strukturen. Sie sind in der Hand 
des Regimes. Youtube und CNN mögen nach außen gelangen. Den 
Widerstand organisieren können sie nicht. Es sieht nicht gut aus für 
die Reformer. Die Straßenschlachten und Großdemonstrationen, zu denen
gestern Zehntausende zusammenströmten, finden machtpolitisch in einer
Sackgasse statt.
Daran ändert auch der Protest des Wahlverlierers Mussawi nichts. Auch
Mussawi gehört zum islamischen Establishment. Seine Wahl hätte 
vielleicht die eine oder andere kleine Tür einen Spaltbreit geöffnet,
eine radikale Reform, die das Attribut historisch verdient hätte, 
wäre von dem ehemaligen Ministerpräsidenten der Mullahs nicht zu 
erwarten gewesen. Indem er regimekonform protestiert, besänftigt er 
die Massen und spielt den wahren Machthabern, den Mullahs, in die 
Hände. Der Wächterrat wird sich mit dem Protest befassen - und am 
Wahlergebnis nicht rütteln.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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