Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Patientenverfügung:
Bielefeld (ots)
Das Leben endet mit dem Tod. Doch mehr noch als vor dem scheinen viele Menschen in Deutschland heute Angst davor zu haben, nicht sterben zu dürfen, wenn ihre Zeit gekommen ist. Vor diesem Hintergrund fand das sechs Jahre währende parlamentarische Ringen um die Patientenverfügung statt. Nun wird Gesetz und damit Recht: Der Patient hat das letzte Wort. Die Medizin hat in den vergangenen Jahrzehnten unglaubliche Fortschritte gemacht. Sie rettet Leben und Lebensqualität, wo es noch vor 30 Jahren keine Hoffnung gab. Die Kehrseite: Sie verlängert auch Leben, wo viele Menschen keine Qualität mehr sehen. Magensonden, Schläuche, Apparate betreiben über Wochen, Monate, Jahre einen Leib, der dies bestenfalls nicht mehr, schlimmstenfalls nur noch als Leiden empfindet. Für viele eine Horrorvorstellung. Vermutlich für weitaus mehr als die neun Millionen, die bereits ihre Patientenverfügung hinterlegt haben. Wegen fehlender Rechtsverbindlichkeit konnten diese Menschen bislang jedoch nicht wirklich sicher sein, ob ihr frühzeitig und bei klarem Verstand formulierter Wille auf ein selbstbestimmtes Sterben auch umgesetzt würde. Denn letztlich kollidierten hier oft Patientenwunsch und Medizinrecht, konnte der Arzt durchaus noch belangt werden, wenn er »nicht alles getan« hatte. Positiv für beide Seiten, Patient wie Arzt, ist also, dass mit der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages die Patientenverfügung nun rechtlich verbindlich wird: Es gilt, was der Erkrankte oder Verunglückte einst festgehalten hatte, als er sich noch äußern konnte. Womit das Selbstbestimmungsrecht, in unserer Verfassung verbürgt, nun tatsächlich bis zum Tode reicht. Den Verfasser einer Patientenverfügung nimmt dieses Recht nun aber auch voll und ganz in die Pflicht, zumal der Gesetzgeber nicht einmal die Beratung durch Arzt oder Anwalt verbindlich vorsieht. Wer für sich beispielsweise »die Apparatemedizin rundweg ablehnt«, unterschreibt damit vielleicht unnötigerweise sein Todesurteil. Denn wer weiß heute, welche Geräte ihm morgen ein selbstbestimmtes Leben nach einem schweren Unfall ermöglichen können? Wer kann heute exakt alle Fälle benennen, in denen er später nicht mehr »an die Steckdose« will? Wer weiß überhaupt mit 35, wie er mit 55 oder 65 über das Leben und den Tod denkt? Wer eine Patientenverfügung hinterlegt, muss mehr denn je auf die Klarheit seiner Worte und Vorgaben achten, wenn er nicht möchte, dass sein Bevollmächtigter, der Arzt und ein Amtsvormund das Sterbebett letztlich doch noch im Streit vors Gericht bugsieren. Wer eine Patientenverfügung hinterlegt, sollte sich zudem regelmäßig prüfen, ob das, was dort steht, noch Bestand hat, wirklich der allerletzte Wunsch ist. Als Alternative bleibt freilich weiterhin der Verzicht auf die Verfügung. Im Vertrauen darauf, dass Ärzte, Angehörige, Freunde mit Sachverstand und Herz, wer mag, auch mit Gott, den richtigen letzten Weg für uns finden. Man muss auch mal loslassen können. Auch sich selbst.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell