Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Banken, Boni & Co.
Bielefeld (ots)
Ist die Krise schon vorbei? Sieht man sich die jüngsten Geschäftszahlen einiger großer us-amerikanischer Banken an, könnte man es beinahe glauben. Die Bilanz, die die US-Investmentbank Goldman Sachs am Dienstag präsentierte, ließ selbst Experten staunen. Im zweiten Quartal verbuchte der Branchenprimus einen Rekordgewinn von 3,4 Milliarden Dollar. Allein von April bis Juni wurden 6,65 Milliarden Dollar an Gehältern und Bonuszahlungen ausgeschüttet. Hält der Trend an, wird jeder der 30 000 Mitarbeiter in diesem Jahr im Schnitt 770 000 Dollar verdienen. Gewiss ein Spezialfall. Doch die Meldungen, dass Banken in die Gewinnzone zurückkehren, häufen sich. Gut so, möchte man sagen. Doch bleibt einem die Freude im Halse stecken, wenn man sieht, wie viele in der Bankenwelt so tun, als wäre nie etwas gewesen. Längst hat der Wettlauf um die besten Leute wieder eingesetzt, längst ist das Millionenspiel um die Boni wieder in vollem Gange. Schlechtestes Beispiel dafür ist die Sonderzahlung von 2,8 Millionen Euro an Dirk Jens Nonnenmacher, den Vorstandschef der HSH-Nordbank, obwohl das Kreditinstitut ohne die Bürgschaften des Staats längst bankrott wäre. »Erst kommt das Fressen, dann die Moral«, möchte man mit Bertolt Brecht achselzuckend sagen, wären da nicht Millionen Menschen in aller Welt, die sich mitten in der Krise befinden oder denen sie erst noch bevorsteht. Vor diesem Hintergrund ist der Rückfall in alte Verhaltensmuster besonders schwer erträglich. So schwer, dass man aufpassen muss, nicht Recht und Moral durcheinander zu bringen. Geht es allein nach dem Recht, sind Goldmans Gehälter ebenso wenig zu beanstanden wie die elf Millionen Dollar, die der ehemalige GM-Chef Rick Wagoner als Rente kassiert. Ja, sogar der Transfer des portugiesischen Fußballers Cristiano Ronaldo zu Real Madrid für die Wahnsinnssumme von 94 Millionen Euro lässt sich aus den Gesetzen von Angebot und Nachfrage herleiten. Wem diese Gesetze zur Legitimation genügen, der darf sich nicht wundern, dass Menschen das Vertrauen in unser Wirtschaftssystem verlieren. Gerade jene, die sich abgespeist fühlen könnten, müssen sich die Augen reiben ob der Großzügigkeit, mit der sich einige bedienen beziehungsweise bedient werden. Freilich muss man aufpassen, nicht moralinsauer zu werden. Über allem steht die Frage: Wie würde ich handeln, wenn ich in vergleichbarer Position wäre? Den Bonus ablehnen? Das Gehalt freiwillig reduzieren? Wer Moral fordert, sollte sie auch selbst leben, sonst wird sie wohlfeil. Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack. Nicht alles, was legal ist, ist legitim. Nicht alles, was einem nicht verboten wird, sollte man sich erlauben. Das Verhalten des Einzelnen ist nur auf den ersten Blick folgenlos für die Gesellschaft. Es ist der Grundstoff des Zusammenlebens. Verlieren dies nur genug Einzelne aus dem Blick, kommt die nächste Krise, bevor diese wirklich vorbei ist.
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