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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Piraterie:

Bielefeld (ots)

Gottlob - sie sind frei. 120 Tage lebte die Crew
der vor Somalia entführen »Hansa Stavanger« in Todesangst, war 
Psychoterror durch Scheinhinrichtungen ausgesetzt, litt unter Hunger 
und Entbehrung. Die Freiheit brachte nicht etwa die in voller 
Kampfstärke eingeflogene Spezialeinheit GSG 9. Die musste schon Ende 
April unter blamablen Umständen abgezogen werden. Es war auch nicht 
der Krisenstab der Bundesregierung, der die Freilassung der 24 
Seeleute erreichte. Am Ende war es Sache der Reederei, das von 15 auf
2,1 Millionen Euro heruntergehandelte Lösegeld zu zahlen und damit 
die Crew zu erlösen. Wieder einmal hat das zynische Geschäftsmodell 
der Piraten funktioniert.
Die befreiten Seeleute und die »Hansa Stavanger« sind noch nicht 
einmal im sicheren Hafen in Kenia angekommen, das fühlen sich 
Politiker der Großen Koalition zu Schelte an der Reederei berufen. 
Prominentester Kritiker ist SPD-Kanzlerkandidat und Außenminister 
Frank-Walter Steinmeier. Lösegeldzahlungen seien »nie eine gute 
Möglichkeit, um mit Entführungen zurecht zu kommen.« Welche anderen 
Möglichkeiten er bevorzugt hätte, behielt der Außenminister freilich 
für sich.
Es lässt sich eben trefflich über Staatsraison und die Sicherheit der
Weltmeere disputieren, wenn das wildeste Wasser, auf das man blickt, 
das der Spree ist, die an Kanzleramt und Bundestag entlangfließt. 
Wer, wie die 24 Seeleute der »Hansa Stavanger«, die gefährliche 
Passage rund ums Horn von Afrika auf sich nimmt, der muss sich darauf
verlassen, dass der Schiffseigner im Notfall alles tut, um die 
Besatzung zu retten. »Der Reederei blieb gar nichts anderes übrig, 
als zu zahlen«, springt denn auch der Kriminalpsychologe Christian 
Pfeiffer den Hamburger Schiffseignern bei Leonhardt & Blumberg bei.
Das gilt um so mehr, als es sich bei den Piraten am Horn von Afrika 
nicht um eine Handvoll Freibeuter handelt. Die Entführer sind bestens
organisiert und schwer bewaffnet. Selbst eine massive Aufstockung der
Atalanta-Schutzflotte der EU würde die Übermacht der Piraten 
allenfalls schmälern, nicht aber beenden. 2,5 Millionen Quadratmeter 
groß ist das Einsatzgebiet im Golf von Aden und im Indischen Ozean - 
Kontrolle unmöglich.
Der Schlüssel zur Bekämpfung der Piratenplage liegt nicht auf See, 
sondern an Land. Solange in Somalia Hunger und Anarchie herrschen, 
Familienclans ganze Provinzen beherrschen und der Staat faktisch 
zusammengebrochen ist, werden die Piraten weiter Zulauf finden.
Militärisch ist den Piraten nicht beizukommen. Bleibt also nur eine 
Offensive ganz anderer Art: humanitär und diplomatisch. Schnelle 
Erfolge sind damit nicht zu erzielen. Langfristig aber wird es keine 
andere Lösung geben.
Vorerst müssen wir uns damit abfinden, dass weiterhin Schiffe 
entführt werden. Und dass weiterhin Lösegeld gezahlt werden wird. 
Auch wenn darunter die Staatsraison leidet.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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