Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu Guttenberg
Bielefeld (ots)
Mit 37 Jahren der jüngste deutsche Wirtschaftsminister und der beliebteste im gesamten Bundeskabinett: So viel Glanz erregt natürlich Neid. Schließlich haben wir Wahlkampf. Da springt Brigitte Zypries, die Justizministerin, mal kurzerhand ihrem trotz aller Bemühungen im Schatten stehenden Parteifreund und Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier zur Seite. Der Versuch, dem strahlenden Lack Karl-Theodor zu Guttenbergs ein paar Kratzer zuzufügen, ist allerdings ebenso durchsichtig wie wohl erfolglos. In der Sache nämlich ist dem adligen Franken kaum etwas vorzuwerfen. Das »Outsourcing« von Aufgaben an Fachleute ist in Wirtschaft und Politik längst gang und gäbe. Wichtig ist, dass Minister und Beamte den Überblick behalten. Sie sind es, die in der Verantwortung stehen. Detailarbeit aber soll man delegieren. Der Staat kann nicht für jede Aufgabe den besten Fachmann selbst einstellen. Andernfalls würde der bürokratische Apparat in einer Weise aufgebläht, dass er nicht mehr bezahlbar wäre. Wenn man Guttenberg überhaupt etwas vorwerfen kann, dann die Eile, mit der er einen Gesetzentwurf erarbeiten ließ, bei dem von vornherein klar war, dass er für diese Legislaturperiode zu spät kommt. Die Frage selbst, ob und wie insolvente Banken abgewickelt werden können, ohne dass dadurch dem Staat und der Gesamtwirtschaft ein nicht zu behebender Schaden entsteht, muss jedoch geklärt werden. Da schadet es nicht, wenn ein guter Vorschlag ausgiebig - auch im Wahlkampf - diskutiert wird. Freundlich, kompetent, liberal und weltoffen, dabei bereit, auch gegen den Strom zu schwimmen: In seiner Art ist Guttenberg das Gegenbild vom grantelnden oder stotternden, etwas provinziellen und zuletzt wieder wadenbeißerischen Typ Politiker, der jetzt mehrere Jahre das Bild der CSU und Bayerns bestimmt hat. Die Horst Seehofers, Markus Söders und Peter Ramsauers, die südlich vom Weißwurst-Äquator derzeit Verantwortung tragen, müssen aufpassen, dass ihre Felle nicht davon schwimmen, ehe sie ein Mal richtig getragen wurden. Aufpassen muss nicht nur die CSU: Guttenbergs Aufstieg markiert einen Stilwechsel, der über kurz oder lang alle Parteien erfassen wird. Die neue Generation, die spätestens nach der übernächsten Bundestagswahl in die Verantwortung gehen wird, kennt den ideologischen Kampf zwischen Ost und West, zwischen Kapitalismus und Kommunismus, Demokratie und Diktatur nur noch aus dem Geschichtsbuch. Neue Themen fern von den Fragen, die 1968 aufgeworfen wurden, prägen ihr Denken. Innenpolitisch schmieden sie Allianzen über Parteigrenzen hinweg. Gemeinsame Interessen ersetzen Ideologien. Europa ist die selbstverständliche Heimat der neuen Generation. Und die Welt ist der Boden, auf dem die Jungen mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie US-Bürger, Briten, Franzosen, Niederländer und Skandinavier ihre internationalen Netzwerke spinnen. Guttenberg beweist: Ja, die Deutschen können das.
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