Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zum Thema Aufschwung
Bielefeld (ots)
Je größer die Unsicherheit über den Verlauf der Wirtschaftskrise, desto intensiver das Bemühen, die Lage in möglichst poetischen Bildern zu beschreiben. Lange Zeit dominierte dabei die Methapher von dem Tunnel und dem Licht, das an dessen Ende so sehnsüchtig erwartet wird. Inzwischen ist diese Redewendung etwas abgedroschen. So verlegen sich die Literaten unter den Unternehmern, Verbandsvertretern und Wirtschaftspolitikern seit einiger Zeit auf Landschaftsbilder. Ausgangspunkt ist der steile Abhang eines Berges, der irgendwann in einem Tal mündet. Ob und wann es wieder aufwärts geht und ob sich ein neuer Berg oder nur eine Hügellandschaft oder sogar eine platte Tiefebene anschließt, sind abseits der Poesie die wichtigen Fragen. Ihre Beantwortung ist schwierig. So ist Zeit da, eine andere, modernere Form der Lyrik ins Spiel zu bringen. Minimalistisch werden nun Buchstaben benutzt, um den Verlauf darzustellen. Optimal wäre aus Sicht der Ökonomen ein »V«: Auf den steilen Abstieg folgt in ganz kurzer Zeit ein ebenso steiler Aufstieg. Realistischer ist sicher das »W«: Bevor die Konjunktur zu alter Pracht und Höhe zurückkehrt, muss sie noch manches Auf und Ab hinter sich bringen. Die schlechteste Variante aber ist unter den gegebenen Umständen das »L«: Dieser Buchstabe beschreibt die Furcht, dass der steile Abhang in eine sich lang ausdehnende Tiefebene übergeht. Ob V, W oder doch L ist für die Unternehmen und damit für den Arbeitsmarkt von entscheidender Bedeutung. Wer von einer schnellen Rückkehr zu den Zeiten des Wirtschaftsbooms ausgeht, wird als Unternehmer bemüht sein, das Personal möglichst komplett im Betrieb zu halten. Wer dagegen an eine lang andauernde Krise glaubt, muss seine Kapazitäten aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch in personeller Hinsicht anpassen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht allerdings verlängert ein solches Verhalten die Krise, weil der Anstieg der Arbeitslosigkeit naturgemäß den Konsum und damit die Produktion dämpft. Wie sich die Nachrichten gleichen: Wie zum Jahreswechsel und im Frühjahr so korrigieren auch jetzt die Wirtschaftsinstitute und Politiker in kurzem Abstand ihre Prognosen. Nur werden zum Ende des Sommers die Abschwungquoten glücklicherweise kleiner und die prognostizierten Zeiträume bis zur Erholung der Konjunktur kürzer. Auf ein V zu hoffen ist schön; damit zu rechnen aber könnte gefährlich sein. In diesem Fall nämlich würde die erste Hiobsbotschaft das Bild wie ein Luftschloss auflösen. Aus enttäuschten Optimisten jedoch werden leicht mutlose Pessimisten. Wie so oft liegt die Wahrheit vermutlich auch in diesem Fall in der Mitte. Das heißt: Kein V erwartet uns, und zum Glück auch kein L. Stattdessen geht es wie beim W und wie auf wogender See und wie in einer Hügellandschaft auf und ab. Tendenz: Langfristig ist der Aufschwung unvermeidbar.
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