Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum G-20-Gipfel in Pittsburgh
Bielefeld (ots)
Was ist das Wichtigste, wenn es gekracht hat? An erster Stelle steht doch wohl die Behandlung der Verletzten, gefolgt von der anschließenden Beseitigung der Trümmer. Aber danach? Im Allgemeinen genügt es, die Schuldigen zu bestrafen und den Schaden mindestens teilweise wieder gut zu machen. Manchmal müssen nach einem Crash auch die eine oder andere Regel überdacht und vielleicht ein zusätzliches Warnzeichen aufgestellt werden. Allerdings in Maßen: Man wird nach einem einfachen Unfall nicht gleich die Straße sperren oder von Rechts- auf Linksverkehr umstellen. Diesmal allerdings hatte der Crash eine solche Wucht, dass die Politik nicht bei der Behandlung der unmittelbaren Unfallfolgen aufhören darf. Sie klappte - trotz Lehman-Pleite - relativ gut. Allerdings wurde auch alles, was an Feuerwehr und Rettungsdiensten verfügbar war, eingespannt. In Erwartung der Rechnung sehen die Steuerzahler nun mit Entsetzen, dass einige aus der Katastrophe noch unberechtigten Gewinn ziehen. Statt für ihre Fehler zu bezahlen, kassieren Bankmanager Boni und Abfindungen in Millionenhöhe. Einziger Grund: Das war doch so vereinbart. Klar, dass sich viele darüber ärgern. Da aber Verträge nun mal einzuhalten sind, soll die Abzocke wenigstens künftig verhindert werden. Dies ist das Mindestziel, das sich die Staatschefs für den bevorstehenden G-20-Gipfel in Pittsburgh vorgenommen haben. Und es sollte gelingen. Jenseits dieser Linie jedoch beginnen die wirklich wichtigen Aufgaben. Mit normalen Rezessionen, wie sie in jedem Grundlagenbuch für Volkswirtschaft beschrieben werden, kann die Welt leben - nicht aber mit Krisen, die vom Finanzsystem ausgelöst werden. Unberechenbare Folgen und unbezahlbare Schäden wären sonst die Folgen. Zu dem neuen Rahmen, den eine Weltfinanzregierung oder eben die G 20 den Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften bauen müssen, gehören strengere Eigenkapital-Vorschriften sowie eine Finanzaufsicht, die diesen Namen auch verdient. Damit aber nicht genug: Finanzprodukte müssen wie alle Produkte auch mit einer Steuer belegt werden. Nicht nur kann aus den Einnahmen ein Teil der Schäden bezahlt werden, die der jetzige Crash verursacht hat. Eine Börsenumsatzsteuer oder andere Form der Finanzabgabe schlössen auch eine Gerechtigkeitslücke. Es darf aus moralischen und aus praktischen Gründen nicht sein, dass die Arbeit eines Unternehmers in der Realität schlechter entlohnt wird als die eines Finanzinvestors. Klar braucht die Wirtschaft Geld, benötigt sie Liquidität. Aber noch sind die Finanzen nur das Schmiermittel; entscheidend sind die Motoren in den Betrieben. Sie müssen dauerhaft laufen, um nicht nur die Folgen der Finanzkrise, sondern noch größere Aufgaben wie die Bekämpfung der Armut und den Klimaschutz bezahlen zu können. Pittsburgh, im früheren »Ruhrgebiet der USA« gelegen, muss die Wende bringen. Für Palaver ist keine Zeit.
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