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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Koalitionsverhandlungen:

Bielefeld (ots)

Zehn Tage erst liegt der Erfolg von Union und
FDP bei der Bundestagswahl zurück. Irgendwie jedoch schimmert 
Schwarz-Gelb schon matt. Daran sind die zukünftigen Partner 
keineswegs unschuldig. Dass die Feier des eigenen Erfolgs recht 
nüchtern ausfiel, ließ sich noch mit Taktik und Taktgefühl erklären. 
»Bloß keine große Gesten«, lautete die Regieanweisung. Rätselhaft 
aber bleibt, warum CDU, CSU und FDP danach beinahe jede Gelegenheit 
nutzten, um sich gegenseitig das Leben schwer zu machen.
 Dabei ist der Auftrag der Wähler eindeutig, wie die jüngsten Zahlen 
der Forschungsgruppe Wahlen belegen. Demnach sind 53 Prozent der 
Befragten mit dem Ergebnis vom 27. September zufrieden. Würde am 
Sonntag wieder gewählt, ginge es genauso aus. Wenn demnächst eine 
schwarz-gelbe Koalition regiert, ist das nicht etwa ein 
Betriebsunfall. Die Mehrheit der Deutschen wollte und will es immer 
noch so.
Damit verbunden ist eine entsprechend große Erwartungshaltung. 
Schwarz-Gelb ist zum Erfolg verdammt. Union und FDP müssen halten, 
was sie versprochen haben. Dazu gehören Neuregelungen in Sachen 
Unternehmens- und Erbschaftssteuer, eine abgeflachte Progression und 
höhere Grundfreibeträge bei der Lohn- und Einkommenssteuer sowie 
längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Doch das reicht nicht.
 Schwarz-Gelb ist keine Verlegenheitslösung, wie es die Große 
Koalition war. Dieses Bündnis muss mehr bieten als den kleinsten 
gemeinsamen Nenner.
 Für Verzagtheit ist keine Zeit. Zaudern und Zögern waren gestern. 
Union und FDP müssen beweisen, dass sie Markt und Staat ebenso neu in
Einklang bringen können wie Freiheit und Sicherheit. Schwarz-Gelb 
muss die Folgen der Krise managen, aber weiter denken. Schwarz-Gelb 
braucht eine Idee, wo Deutschland in vier, besser noch in zehn Jahren
stehen soll. Eine Agenda 2020, wenn man so will.
Die spannende Frage dieser Tage ist, ob die Kanzlerin zu solch einem 
Projekt bereit ist. Angela Merkel will und sie muss sogar die 
»Kanzlerin aller Deutschen« sein. Nicht jede Entscheidung aber, die 
ihre Regierung trifft, wird allen Deutschen gefallen können. Angela 
Merkel riskiert auch dann etwas, wenn sie mit Blick auf die 
NRW-Landtagswahl am 9. Mai 2010 im Zweifelsfall lieber nichts 
riskiert.
Opposition und Gewerkschaften mögen sich noch so sehr in verbaler 
Kraftmeierei üben. Die Angst vor einem »schwarz-gelben Kahlschlag« 
entbehrt derzeit jeder Grundlage. Real ist hingegen der 
Gestaltungsauftrag, den Schwarz-Gelb zu nutzen hat. Nicht 
überheblich, aber selbstbewusst. Nicht radikal, aber konsequent.
 Union und FDP müssen zeigen, dass die Mitte der Gesellschaft nicht 
dort ist, wo sie Linkspartei und eine ihr nachlaufende SPD sehen. Die
neue Regierung muss den Sorgen derer Rechnung tragen, die sie nicht 
gewählt haben, aber sie muss auch den Hoffnungen jener Ausdruck 
verleihen, die sie gewählt haben.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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