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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Margot Käßmann

Bielefeld (ots)

Bemerkenswert: Die Wahl von Margot Käßmann zur
neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 
ist eine Wegmarke. Nicht unbedingt mehr überraschend, aber Ausdruck 
einer vorwärtsorientierten und dennoch behutsamen Modernisierung.
Ganz klar: Als Nachfolgerin des gleichfalls einem offenen Stil 
verpflichteten Bischofs Wolfgang Huber setzt die 51-Jährige in 
direkter Linie fort, was der 67-Jährige angelegt hat. Das Besondere 
daran ist, dass es beinahe nichts Besonderes mehr ist, dass nummehr 
eine Frau das oberste Leitungsamt übernimmt.
Und dennoch: Erst 1991 ließ Schaumburg-Lippe als letzte 
EKD-Mitgliedskirche die Ordination von Frauen als Pastorinnen zu. So 
gesehen ist der Modernisierungsvorsprung gegenüber der in Deutschland
gleichfalls 25 Millionen Mitglieder zählenden katholischen Kirche gar
nicht so gewaltig.
Mehr noch: Die Wahl von Margot Käßmann hat sogar Folgen für Rolle und
Wahrnehmung der anderen großen Volkskirche hierzulande. Die beredte, 
vom Leben und seinen Fährnissen geprägte Theologin, die mit beiden 
Beinen mitten in der sich rasant wandelnden Gesellschaft steht, hat 
sogar Anhänger in anderen Kirchen. Ihr Auftritt als Hannoversche 
Landesbischöfin 2008 beim Katholikentag in Osnabrück war ein starkes 
Zeichen dafür.
Nur eine Beobachtung: Wie ein Magnet wirkte Käßmann dort auf einen 
rieisigen Zuhörerkreis. Im Gespräch mit der Katholischen 
Frauengemeinschaft Deutschlands wurde mit großem Ernst ventiliert, 
was das Leben auf Erden wirklich ausmacht. Der Krebs, die Scheidung, 
die Doppelbelastung der Frauen, die Stütze eines guten Gebets - 
nichts wurde ausgelassen.
Kaum vorstellbar: Auch die neueren katholischen Bischöfe - selbst vom
Schlage eines Reinhard Marx - können bei den engagierten gläubigen 
Frauen, dem vielleicht wichtigsten und noch stabilsten Kernbereich 
beider Volkskirchen, so verfangen.
Nicht zu vergessen: Soziale Spreizung, Wirtschaftskrise, 
Steuerausfälle, Mitgliederverluste - die Litanei der Sorgen ist lang.
Die EKD wird bedrängt von einer Verweltlichung und Kirchenferne 
breiter Bevölkerungsschichten, dass Luthers Erben angst und bange 
sein muss. Es gibt keinen leichten Weg aus der Krise. Weder ein 
strenges Zurück zu mehr Frömmigkeit noch eine schwerlich zu 
steigernde Öffnung versprechen Besserung.
Was punktet, ist eine mitnichten sonderlich evangelische Prominenz 
der Margot Käßmann, die sie sich in den Talkshows und sogar in den 
bunten Blättern beim Friseur erarbeitet hat. Niemand sollte darüber 
die Nase rümpfen. Käßmann geht diesen für traditionelle Kreise nur 
schwer nachvollziehbaren Weg. Und sie macht das gut.
Hat sich nicht auch ein gewisser Jesus Christus weder von Phärisäern 
noch vom scheinbar Unmöglichen aufhalten lassen?

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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