Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Sparpaket 2011/Schäuble
Bielefeld (ots)
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat offenbar ein Gespür für den günstigen Moment. Mit seiner Ankündigung, im nächsten Sommer ein Sparpaket vorzulegen, macht er - passend zur Vorweihnachtszeit - den Knecht Ruprecht, lässt wohlweislich aber die Rute noch im Sack. Dafür gibt es mindestens drei Gründe: Erstens will der Finanzminister nicht die weihnachtliche Vorfreude der Deutschen trüben. Sparmaßnahmen sind selten populär. Zum »Fest der Feste« verbieten sie sich aber als Botschaft an das von Harmonie und Lichterglanz erfüllte Volk geradezu. Zweitens kann Wolfgang Schäuble so den mühsam in die Weihnachtspause geretteten Frieden in der Koalition und auch jenen zwischen der schwarz-gelben Bundesregierung und den schwarz-gelb regierten Bundesländern wahren. Hat doch das Gezerre um das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gezeigt, dass beim Geld die Parteifreundschaft sehr viel schneller aufhört als von manchem gedacht. Drittens könnten allzu konkrete Ansagen momentan eher schädlich sein. Es bleibt dabei: Politikfähig scheint die Politik nur noch in Zeiträumen, die eine hinreichend große Distanz zum nächsten relevanten Wahltermin bieten. Damit aber ist knapp die Hälfte des kommenden Jahres per se lahmgelegt. Dem Superwahljahr 2009, in dem die Bürger sagenhafte 16 Urnengänge hinter sich gebracht haben, folgt sozusagen auch ein Superwahljahr 2010, obwohl es hier exakt einen Wahltermin gibt: Sonntag, 9. Mai, Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Hier kämpft CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers um seine Wiederwahl und die Bestätigung der Koalition mit der FDP. Und auch für die Regierung Merkel/Westerwelle steht im größten und wirtschaftlich stärksten Bundesland mehr an als der übliche Stimmungstest. Für Union und Liberale geht es vor allem darum, die denkbar knappe Mehrheit im Bundesrat zu verteidigen. Also redet Wolfgang Schäuble vorerst, ohne etwas zu sagen. Ohnehin dürfte es in der Berliner Koalition noch einiges zu besprechen geben, bevor wirklich etwas spruchreif ist. Fakt ist: Allein die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse zwingt die Bundesregierung von 2011 an zu einem drastischen Sparkurs. Fakt ist aber auch: Das insbesondere von der FDP gebetsmühlenartig propagierte »einfachere, niedrigere und gerechtere Steuersystem« und der damit verbundene und im Koalitionsvertrag festgeschriebene Stufentarif kosten (erst einmal) Geld. Kurz gesagt: Hier liegt ein Sprengsatz für Schwarz-Gelb. Ob und wie sich dieser Sprengsatz entschärfen lässt, muss sich erst noch zeigen. Dass Explosionen aber bis zum 9. Mai ausgeschlossen sind, könnte ein frommer Wunsch bleiben. Es sei denn, die schwarz-gelbe Bundesregierung hat nicht nur einen Knecht Ruprecht in ihren Reihen, sondern auch einen ganz kurzen Draht zum Weihnachtsmann.
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