Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema "Die Grünen in NRW":
Bielefeld (ots)
Keine Angst vor Schwarz-Gelb hat die grüne Partei in Düsseldorf. Im Gegenteil, den von der Opposition längst eröffneten Wahlkampf bis zum 9. Mai will sie zu einer Abstimmung über die Atompolitik des Bundes machen und als eine Art Rache für den gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen gestalten. Wahlkampf als Event. Die Bürger sollen sagen, was sie von Union und FDP im Allgemeinen und der Klimakanzlerin im Besonderen halten. Das birgt durchaus Chancen auf mehr Zustimmung in NRW als 2005. Damals wurde Rot-Grün in Düsseldorf eindeutig abserviert. Inzwischen hat sich viel geändert und die Grünen sind gerade im Rückblick auf ihre Gründung vor 30 Jahren dabei, wieder radikaler und frischer, auf jeden Fall aber etwas fundamentalistischer zu werden. Sie legen sich mit allen an - und tun das gern. Die gestrige Demonstration mit Schubkarren voller Steinkohle vor der NRW-Saatskanzlei war ein klares Signal gegen die Regierenden und auch gegen die SPD. Cem Özdemir bringt es auf den Punkt: Die SPD ist eine AntiAtompartei, aber keine Kampftruppe für den Klimaschutz. Das waren, sind und werden zukünftig wieder stärker die Grünen im Lande sein. Ökologische Ansprüche und Anstriche bieten andere auch, das Original ist aber nur eine Partei. Deren ökologisches Grundanliegen ist glaubhaft und authentisch. Das ist das stärkste Argument, das die einst Alternativen im Jubiläumsjahr neu entdeckt haben. In der Koalitionsfrage fährt Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann einen ziemlich unglücklichen Wackelkurs. Das irritiert die politischen Beobachter, könnte aber für Wähler der Partei unwichtig sein. Denen kommt es darauf an, gerade nach Kopenhagen ein Zeichen für moderne Ökologie und grüne Ökonomie zu setzen. Das wird die Partei stärken, muss sie aber nicht unbedingt an die Macht bringen. Die Forderungen nach Bildungssoli, Kerosinsteuer und Altbausanierung im großen Stil gehen ins Geld. Auch die sozialen Wohltaten im grünen Buch der vielen Versprechungen sind nicht ohne. Landespolitisch liegt damit die Latte für Koalitionen mit CDU und FDP unerreichbar hoch. Auch für die SPD ist manches nur schwer erträglich. Mit der Forderung nach dem Ausstieg aus der Kohleförderung wäre Jamaika zwar machbar, aber nicht mit der Forderung nach dem Verzicht auf neue konventionelle Kraftwerke. Hinzu kommen ganz praktische Probleme. Allein mit Energie aus Wind, Sonne und Biogas ginge im deutschen Industrieland Nummer 1 mehr als nur der Ofen aus. Die erneuerbaren Energien kommen, sind aber insgesamt noch lange nicht ausreichend, um an der Ruhr die Feuer wirklich brennen zu lassen. Kurzum: Die Grünen sind wieder ein Stück grundsätzlicher geworden. Damit hängen sie auch wieder ihren alten Träumen nach. Sie können es sich leisten - als Oppositionspartei.
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