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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Afghanistan:

Bielefeld (ots)

Für die deutschen Soldaten in Afghanistan, die
Tag für Tag ihr Leben am Hindukusch riskieren, besteht kein Grund zur
Freude. Sie werden über den zu laschen Strategiewechsel der Regierung
enttäuscht sein, den Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister 
Guido Westerwelle, Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg 
und CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich gestern in gleich vier
getrennten Pressekonferenzen medienwirksam der Öffentlichkeit 
erläutert haben. Und man kann die Soldaten sogar verstehen.
 Die deutschen Einsatzkräfte hatten mit einer Aufstockung von 
mindestens 1500 Soldaten gerechnet. Das »neue Engagement« am 
Hindukusch ist für die deutsche Truppe somit nicht mehr als ein 
Tropfen auf den heißen Stein.
Mehr Soldaten, mehr Ausbilder, mehr Finanzhilfe: Fakt ist, dass der 
Einsatz für Deutschland teurer wird. Aber auch erfolgreicher? Zahlen 
belegen, wie katastrophal negativ die Bilanz nach acht Jahren am 
Hindukusch ist. Beispiel Polizeiausbildung: Derzeit gibt es 123 
deutsche Polizisten, die afghanische Kollegen ausbilden. Die Zahl 
soll nun auf 200 aufgestockt werden. Somit können pro Jahr 5000 
afghanische Polizisten geschult werden. Experten gehen davon aus, 
dass insgesamt 134 000 Polizisten benötigt werden.
Beispiel Infrastruktur: Im Norden Afghanistans, also im 
Haupteinsatzgebiet der Deutschen, haben bisher nur 22 Prozent der 
Bevölkerung Zugang zu Energie und Trinkwasser. Der Anteil der Kinder,
die in die Schule gehen, beträgt gerade einmal 25 Prozent. Ganz zu 
schweigen von militärischen Erfolgen, die es viel zu selten gibt.
Gerade weil es bislang zu wenig gelungen ist, Afghanistan zu 
stabilisieren, war ein Umdenken überfällig. Ob die Aufstockung um 
maximal 850 Soldaten, die Verdoppelung der Finanzhilfen auf 430 
Milliarden Euro und die Absicht, Mitläufer der Taliban reintegrieren 
zu wollen, jedoch ausreichen werden, um tatsächlich in einigen Jahren
komplett aus Afghanistan abzuziehen, ist mehr als fraglich. Wer 
glaubt schon ernsthaft, dass - wie von Guido Westerwelle in Aussicht 
gestellt - bereits in nur einem Jahr schrittweise mit dem Abzug 
begonnen werden kann? Fragwürdig ist das Verhalten der SPD, die den 
militärischen Einsatz zu Regierungszeiten immer befürwortet hat, 
heute davon aber nicht mehr viel wissen will.
Fakt ist auch, dass der Einsatz gefährlicher wird. Denn wenn deutsche
Soldaten afghanische Einsatzkräfte an der Front ausbilden, werden die
Taliban nicht weit sein und gnadenlos zuschlagen.
Jetzt blickt alles nach London zur Afghanistan-Konferenz. Dort soll 
morgen der große internationale Neuanfang eingeleitet werden. Ob 
unsere Verbündeten die deutschen Pläne begrüßen werden, bleibt 
abzuwarten. Deutschland will sich nur um die Ausbildung kümmern, 
Amerikaner und Briten sollen die Kampfhandlungen vornehmen - darüber 
wird in London zu reden sein.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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