Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Kölner U-Bahn-Skandal
Bielefeld (ots)
»Bilfinger Berger optimistisch für 2010« - so lautete erst am 11. Februar, vermutlich ungewollt zynisch, eine Agenturmeldung über den Mannheimer Bau-Riesen. Als habe man noch nichts davon gehört, dass an der Kölner Großbaustelle des Konzerns der Baum brennt. Dabei hat das Ganze nun fast ein Jahr Vorlauf: Am 3. März 2009 versank das Kölner Stadtarchiv im Erdreich. Mutmaßliche Unglücksursache: Pfusch am U-Bahn-Bau. Doch selbst in Köln, so scheint's, ist der Ernst der Lage noch nicht überall präsent. Vor einer Woche, als die Jecken den Rosenmontag feierten, sprach einer von ihnen, im Piratenkostüm, einem Reporter in der Nähe der möglicherweise einsturzgefährdeten U-Bahn-Baustelle Heumarkt »dat kölsche Jrundjesetz« in den Block: »Et hätt noch immer jot jejange!« Das soll er mal denen erzählen, die um die zwei Männer trauern, die im Archivschutt starben. Dabei war der Untergang jenes Verwaltungsbaus erst der Anfang. Schon das, was bis jetzt an staatsanwaltlichen Ermittlungsergebnissen auf dem Tisch liegt, macht Angst und Bange: Nicht nur, dass die finanziellen Folgen der kriminellen Machenschaften in Kölns Unterwelt schier unüberschaubar sind. Es geht auch um die Sicherheit vieler Menschen, die über der Röhre leben. Wer will ihnen garantieren, dass nicht weitere Häuser in dem Schacht zerbröseln, in dem eigentlich in ein paar Jahren die neue Nord-Süd-Stadtbahn rollen sollte? Halten die Magerstahl-Betonschächte stand, wenn demnächst Vater Rhein Hochwasser führt und damit der Grundwasserdruck steigt? Bilfinger Berger, seit dem Wochenende auch in Sachen Schmu an der ICE-Trasse München-Nürnberg in den Nachrichten, verspricht den Ermittlern »volle Kooperation« und sieht sich, wie die Kölner Verkehrsbetriebe KVB, im Moment vor allem als Opfer eiskalter krimineller Schieber. Doch wenn der Laie fragt, ob's denn normal sei, wenn niemandem auffällt, dass an einer Baustelle 84 Prozent der Sicherungseisen, die dem Beton die Statik geben sollten, nicht verbaut, sondern an Schrotthändler verhökert werden, also lastwagenweise verschwinden, dann zeigen sich beide Seiten ratlos und um eine Antwort schwer verlegen. Dort, wo Hunderte von Millionen Euro an Steuergeldern verbaut werden, war Bauaufsicht »faktisch nicht gegeben«, sagte ein Monteur bei der Befragung durch die Polizei. Und das, wo jeder Krimigucker weiß, dass sich die Korruption am Bau schon immer besonders wohlfühlte: Da fließt das meiste Geld - und die öffentliche Hand gibt es ganz und gar emotionslos aus: Es gehört ja nur dem Steuerzahler... Und der fragt sich immer wieder, warum es ihn finanziell umbringt, wenn sein Häuschen 20 000 Euro teurer wird als geplant, aber - nur zum Beispiel - eine Hamburger Elbphilharmonie mit 323 Millionen Euro das Doppelte oder Dreifache der ursprünglichen Planung verschlingen wird. P.S.: Apropos Optimismus. Bilfinger Berger hat sich inzwischen einen guten Anwalt genommen.
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