Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Wüst-Rücktritt
Bielefeld (ots)
Dieser als Rücktritt getarnte Rausschmiss war überfällig. CDU-Landeschef und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers musste Hendrik Wüst zur Aufgabe zwingen. Zu lange schon war der Generalsekretär Ballast für ihn und die nordrhein-westfälische CDU. Die Praxis der Sponsorenbriefe war nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Im Rekordtempo hatte Wüst jeglichen Kredit aufgebraucht. Erst die Video-Überwachung von SPD-Spitzenfrau Hannelore Kraft, die er veranlasst hatte, dann die überhöhten Versicherungszuschüsse, die er jahrelang vom Land kassiert hatte: Wüst war angezählt. Das Bauernopfer ist gebracht, doch reicht das aus? Die illegitime, vielleicht sogar illegale Form des Sponsorings bringt Rüttgers selbst in schwere See - erst recht mitten im Landtagswahlkampf. Für ihn könnte der Schaden am Ende sogar größer sein als für seinen geschassten Generalsekretär. Wüst ist jung genug und die nordrhein-westfälische CDU an Talenten so arm, dass ein Comeback des einstigen Senkrechtstarters nicht auszuschließen ist. Auch in der Politik heilt die Zeit viele Wunden. Jürgen Rüttgers hat diese Zeit nicht mehr. Lange sah es so aus, als sei seine Macht an Rhein und Weser sicher. Stabil waren die Umfragewerte, schwach die Opposition. Sogar der peinliche Angriff auf die Arbeitsmoral der Rumänen im Umfeld des Nokia-Umzuges schien vergessen. Plötzlich ist alles anders. Wenn am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt wird, steht nicht weniger als die politische Zukunft von Jürgen Rüttgers auf dem Spiel. Nur, wenn er das Amt des Ministerpräsidenten verteidigt, wird der stellvertretende Bundesvorsitzende seinen Platz als Nummer 2 der CDU hinter Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel behaupten können. Die Vorzeichen jedoch sind alles andere als günstig. Pleiten, Pech und Pannen, wohin man blickt. Erst sorgte der schwarz-gelbe Fehlstart in Berlin für Gegenwind, dann stolperte der Koalitionspartner FDP, allen voran der stellvertretende Ministerpräsident Andreas Pinkwart, von einer Peinlichkeit in die nächste. Nun trägt die NRW-CDU ihren Anteil zum Niedergang bei. Und der ist durchaus gewaltig. Rüttgers hat jetzt vor allem zwei Probleme: Zum einen muss er schnell einen neuen Generalsekretär finden, der in der heißen Phase des Wahlkampfes das Ruder herumzureißen vermag. Das ist für sich genommen nicht leicht, aber ein Kinderspiel im Vergleich zum Erklärungsnotstand, in dem sich der Ministerpräsident befindet. Hat der CDU-Landeschef wirklich nichts von den Sponsorenbriefen gewusst, ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass er seinen Laden nicht im Griff hat. Hatte Rüttgers aber doch Kenntnis vom Gebaren seiner Parteizentrale, muss er auch die politische Verantwortung dafür tragen. Hannelore Kraft hat ihren Rivalen gestern schon einmal vorsorglich zum Rücktritt aufgefordert...
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