Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Atomwaffen:
Bielefeld (ots)
Barack Obama will kein Träumer sein. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr skizzierte der US-Präsident auf der Prager Burg seine Visionen einer atomaren Abrüstung. Wer das als leeres Gerede abgetan hat, wurde spätestens gestern eines Besseren belehrt. Pazifisten und Ostermarschierer werden noch immer nicht mit dem Präsidenten zufrieden sein. Aber alle Atomwaffen, Kampfjets oder Panzer in die Schrottpresse zu schicken - diesen Mut haben weder der Herr des Weißen Hauses, ein Kremlführer oder der Vorsitzende der kommunistischen Partei in China. Bereits in Prag gab Obama zu, eine atomwaffenfreie Welt sei vielleicht nicht einmal zu seinen Lebzeiten zu erreichen. Damit liegt er vollkommen richtig. Aber immerhin macht der amerikanische Präsident einen Anfang. Er geht so weit, wie noch keiner seiner Vorgänger - das sollte bei aller Kritik nicht vergessen werden. Von der neuen US-Strategie wird Deutschland noch nicht sofort profitieren. Noch immer lagern hier aus der Zeit des Kalten Krieges 20 Atomsprengköpfe. Diese will Obama erst nach Verhandlungen mit Russland verschwinden lassen. Aber eine atomwaffenfreie Zone in ganz Deutschland rückt näher. Bei der nuklearen Abschreckung wird der Präsident konkreter. Bisher musste jeder Staat mit einem Atomschlag rechnen, der die USA mit atomaren, biologischen, chemischen oder konventionellen Waffen angegriffen hat. Das soll anders werden. Wer keine Atomwaffen besitzt und den Sperrvertrag einhält, soll vor einer amerikanischen Atomwaffe sicher sein. Nach dem Prinzip »Keine Regel ohne Ausnahme« zählen Iran und Nordkorea für Obama zu diesen Sonderfällen. Bis vor kurzem nannte die amerikanische Führung diese Länder noch »Schurkenstaaten«. Die Wirkung ist die gleiche geblieben. Wahre Freunde werden sie wohl nie. Der Diktator von Pjöngjang und das Mullah-Regime in Teheran haben mit ihren Atomwaffen, beziehungsweise mit den Plänen diese zu bauen, die Welt lange genug für dumm verkauft. Das kann der US-Präsident nicht vergessen. Obama will sicherstellen, dass das Nuklearmaterial in sicheren Händen bleibt. Und da beginnen die wahren Schwierigkeiten. Israel, Pakistan und Indien haben den Atomwaffensperrvertrag bewusst nicht unterschrieben. Der amerikanische Präsident mag beste Absichten haben, die Welt sicherer machen zu wollen - mit weniger Waffen. Besonders in Pakistan besteht die Gefahr, dass Atomwaffen in Terroristenhand geraten. Und wenn sich Israel von iranischen Atomplänen in der Existenz bedroht fühlt, ist ein nuklearer Gegenschlag nicht unwahrscheinlich. Das wiederum könnte in der islamischen Welt einen Aufstand ungeahnten Ausmaßes auslösen. Die Macht des wichtigsten Staatenlenkers der Welt ist nicht grenzenlos.
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