Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld)zum Ausgang der NRW-Landtagswahl
Bielefeld (ots)
Es passte zu dieser denkwürdigen Wahlnacht an Rhein und Weser, dass das vorläufige amtliche Endergebnis erst am Montag um 2.16 Uhr vorlag. Nun ist es da, doch was fängt die SPD damit an? Es gibt eine klare rot-rot-grüne Mehrheit im neuen Landtag. Ungewiss bleibt aber, ob daraus auch eine Koalition wird. Den gesamten Wahlkampf über hatte sich Hannelore Kraft vor einer Entscheidung in dieser Sache gedrückt. Damit ist jetzt Schluss. Die SPD muss kalkulieren, was eine Koalition mit den Linken für die eigene Zukunft bedeutet. Chaos oder Chance? Für Ersteres spricht viel. Immerhin geht es um ein Bündnis mit einem radikalen, unberechenbaren linken Landesverband - noch dazu in NRW, dem bevölkerungsreichsten und industriepolitisch immens wichtigen Bundesland. Fehler können da schnell verhängnisvolle politischen Folgen haben. So wünscht sich mancher Sozialdemokrat inständig, dass es nichts wird mit Rot-Rot-Grün in Düsseldorf. Einer von ihnen ist der rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck, der schon im März 2011 zur Wiederwahl antreten muss. Verzichtet die SPD aber erneut auf Rot-Rot-Grün, treibt sie die Grünen weiter in Richtung der CDU. Zudem müssen die Sozialdemokraten mit Blick auf 2013 an einer eigenen Machtoption im Bund arbeiten. Das ist die Chance: Rot-Rot-Grün in NRW könnte Modellcharakter haben. Dies gilt um so mehr, als es der Kraft-SPD misslungen ist, die Linke aus dem Landtag zu halten. Die Linkspartei ist am Sonntag endgültig im Westen angekommen. Damit ist die Aussicht der SPD weiter geschrumpft, allein mit den Grünen eine Mehrheit zu erkämpfen. Die CDU kann vorerst nur abwarten. Ihr Angebot, eine Große Koalition zu bilden, ist so banal wie trickreich. Zwar hat die CDU keine andere Machtoption und kann auch nichts gegen die Bildung einer rot-rot-grünen Regierung machen. Doch bringt sie SPD und Grüne in Zugzwang. »Wollt ihr wirklich in diesen Krisenzeiten mit diesen Linken koalieren?«, lautet die Gretchenfrage. Zugleich bleibt Jürgen Rüttgers an Bord - fürs Erste jedenfalls und quasi als Verhandlungsmasse für den Fall der Fälle. Damit soll der Preis für eine mögliche Große Koalition in die Höhe getrieben werden. Erst recht, weil der Noch-Ministerpräsident bis zur Bildung einer neuen Regierung voll geschäftsfähig ist. Rüttgers wird fallen - so Merkels stille Botschaft vom gestrigen Tage -, wenn die Zeit reif ist. Doch das kann dauern. Kommt es tatsächlich zu Gesprächen mit der SPD, wird auch der hauchdünne CDU-Vorsprung von 0,1 Prozentpunkten - läppische 6200 Stimmen bei 13,3 Millionen Wahlberechtigten - noch eine große Rolle spielen. Dem Katastrophenergebnis zum Trotz: Die CDU bleibt die stärkste Partei im NRW-Landtag. Die Frage also, wer eine mögliche Große Koalition führt, ist längst noch nicht entschieden. Ein Hauch von Hessen liegt in der Luft.
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