Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Oppositionsregierung:
Bielefeld (ots)
Regieren aus der Opposition: Ein Widerspruch in sich - und doch will das die SPD in NRW versuchen. Chef-Unterhändlerin Hannelore Kraft steht nach 40 Stunden Sondierung mit leeren Händen da, hat aber trotzdem eine Chance. Die Landesverfassung beschert ihr einige Möglichkeiten mehr, als etwa die hessischen Statuten ihrer Genossin Andrea Ypsilanti gewährten. Ohne einen Haushalt 2011 droht in NRW nicht die Zahlungsunfähigkeit, auch könnte Kraft in einem vierten Wahlgang mit weniger als der Hälfte von 181 Stimmen Ministerpräsidentin werden. Kraft spricht derzeit nicht einmal öffentlich über die Themen Minderheitsregierung und Neuwahlen. Das bewahrt sie sich für später auf. Für sie ist und bleibt der Landtag die vertrauteste politische Plattform. Schon in der kommenden Woche könnte ein Vorschlag aus dem Haupt- und Finanzauschuss für eine Opel-Bürgschaft zur ersten Nagelprobe werden. Das SPD-Kalkül ist einfach: CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers kann sich einer Hilfe für Opel in Bochum nicht verweigern. Alles andere wäre politischer Selbstmord für den geschwächten Unions-Arbeiterführer. Gleichzeitig könnte die Linke mitstimmen, was vor allem die Bürgerlichen ärgert und Rot-Grün klammheimliche Freude bereitet. Beispiel Schulpolitik: Da wird die SPD nach Auskunft von Fachsprecherin Ute Schäfer schon sehr bald die Abschaffung der Kopfnoten oder die Wiedereinführung von Grundschulbezirken zur Abstimmung stellen. Schwarz-Gelb wird ablehnen - kein Problem, selbst wenn sich die Linke enthält, reichen die 90 Stimmen von Rot-Grün. Schließlich die Studiengebühren. Deren zügige Wiederabschaffung war für die SPD in Hessen während Kochs Minderheitsregierung kein Problem. So etwas sollte in Nordrhein-Westfalen gegen die Regierung Rüttgers allemal möglich sein. Allerdings: Die Linkspartei, deren demokratische Unzuverlässigkeit auch Hannelore Kraft nicht schmeckt, sind indirekte Stütze des Projektes »91. Stimme«, mit dem sie aus der Opposition heraus regieren will. Noch schwerer wiegt die Verstimmung bei den Grünen, die sich als Stimmvieh in Düsseldorf und Schlachtopfer auf bundespolitischer Ebene verstehen müssen. Der Vorwurf, die NRW-SPD trage indirekt zur Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke bei, ist massiv. Mehr noch: Der Verzicht darauf, über den Bundesrat das Berliner Sparpaket auszubremsen, könnte die Bundes-SPD zerreißen. Und Jürgen Rüttgers? Der wird die Staatskanzlei zur Trutzburg gegen den Landtag ausbauen. Verfassungsjuristen dürften dort zu Regierungsberatern aufrücken. Auch der Noch-Ministerpräsident schaut über die südliche Landesgrenze. Koch gewann schließlich nach einem Jahr politischen Gehampels seine Mehrheit zurück. Wenn das kein Ansporn zum Durchhalten ist!
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