Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu EHEC
Bielefeld (ots)
»Es sind die Sprossen.« Diesen Satz von Reinhard Burger, Präsident des Robert-Koch-Instituts, haben viele Bürger herbeigesehnt. Es ist der erhoffte Erfolg im Kampf gegen EHEC. Die Warnung vor dem Verzehr von Gurken, Tomaten und Salat wurde aufgehoben. Das bringt Gewissheit - nicht nur für die Verbraucher. Besonders Landwirte atmen auf, auch wenn sie die Folgen noch lange spüren werden. Doch warum hat es so lange gedauert, bis dieses Ergebnis feststand? Die Informationspolitik zu Beginn der EHEC-Welle war bedenklich. Das räumt sogar Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ein: »Die Kommunikation ist nicht optimal gelaufen.« Dieses Eingeständnis ist löblich, doch Handeln ist gefragt. Es darf nicht sein, dass die Meldewege bei drohenden Epidemien so unverantwortlich lang sind. Außerdem kam die erste Warnung vor dem Sprossen-Verzehr aus einem Hannoveraner Ministerium, nicht vom Robert-Koch-Institut. Absprache war ein Fremdwort. Hier hätte Zeit gewonnen werden können, die angesichts von 30 Toten bitter nötig gewesen wäre. Alleine der Gedanke an die Opfer sollte die Kritik an der Warnung vor Gurken, Tomaten und Salat verstummen lassen. Wenn die Gesundheit in Gefahr ist, muss Vorsicht walten. Unstrittig ist, dass es ausreichend deutsche Experten gibt. Wenn diese aber im Anfangsstadium schlecht zusammenarbeiten, helfen sie keinem. Der Ruf nach einer zentralen Seuchenstelle ist nachvollziehbar, vergisst aber, dass es die Experten vor Ort unbedingt braucht, um gezielte Informationen zu erhalten. Die Regierung muss aus der aktuellen Situation lernen: Die vorhandene Expertenfülle sollte aus der Kommunikationssteinzeit befreit werden. Bürokratische Meldeketten sind bei sich rasant ausbreitenden Krankheiten Hilfsmittel von gestern. Ein computergestütztes Melderegister, in dem Fakten schnell zusammengetragen werden, ist überfällig. Es muss aber eine Institution benannt werden, die die einlaufenden Ergebnisse aus den Bereichen Krankenhaus, Lebensmittelkontrolle und Wissenschaft zusammenführt. Dann kann es auch nicht mehr passiert, dass Baden-Württemberg als einziges Bundesland schon einen Tag vor der offiziellen Entwarnung den Verzehr von Gurken, Tomaten und Salat als vollkommen unbedenklich bezeichnet. Um eine weitere Konsequenz kommt die deutsche Politik nicht herum: Sie muss bei der Entschädigung der Gemüsebauern ebenso konsequent handeln, wie bei der Warnung vor Gurken, Tomaten und Salat. Was diese aber für Gemüsebauern bedeutet, muss der Regierung klar gewesen sein. Während die EU Entschädigungen von 210 Millionen Euro zahlt, fehlt in Deutschland eine spezielle gesetzliche Regelung. Eine Änderung der Situation ist Pflicht der Politik. Die Lehren müssen jetzt gezogen werden. Denn das Ende der EHEC-Erkrankungen ist nicht abzusehen. Und es wird nicht die letzte Epidemie gewesen sein.
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