Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Steinbrück und einer möglichen Kanzlerkandidatur
Bielefeld (ots)
Angela Merkel hat allen Grund, begeistert zu sein. Aber nur, weil die deutschen Fußball-Frauen bei der Weltmeisterschaft so gut spielen. Und erst recht angesichts der tollen Atmosphäre im eigenen Land. Politisch dürfte die Stimmung der Bundeskanzlerin alles andere als rosig sein. Streit in der Steuersenkungsdebatte, ein moralisch höchst fragwürdiger Panzer-Deal, die FDP in der Profilierungsphase, kein Weiterkommen bei der großen Steuerstrukturreform und die Euro-Krise - während Merkel und ihre Regierung sich in die Sommerpause schleppen, taucht wie aus dem Nichts ein Mann auf, der der Kanzlerin das Regieren schwer machen will und auf der Skala der beliebtesten Politiker bereits Platz zwei einnimmt: Peer Steinbrück. Seit der Wahlniederlage der SPD vor zwei Jahren sitzt der einstige Star der Großen Koalition nur noch als normaler Abgeordneter im Bundestag. Und dennoch gilt Peer Steinbrück als aussichtsreichster SPD-Kanzlerkandidat. Der Ex-Bundesfinanzminister hat Deutschland - gemeinsam mit Merkel und Schäuble - aus der Wirtschafts- und Finanzkrise geführt. Sogar beim politischen Gegner genießt er höchstes Ansehen. Steinbrück ist ein Querdenker. Er ist keiner, der anderen nach dem Mund redet - auch das macht ihn beliebt und unterscheidet ihn von anderen Politikern. Seit Wochen zieht er durch die Lande, um für sich zu werben. Und spätestens mit seinem Verbalangriff gegen Angela Merkel (»Sie hat ihren Zenit überschritten«) hat Peer Steinbrück seinen Hut in den Ring geworfen. Vor der SPD muss Angela Merkel keine Angst haben, vor Steinbrück schon eher. Mit seiner Kritik an der angestrebten freiwilligen Beteiligung der Banken zur Rettung Griechenlands dürfte er ins Schwarze getroffen haben. So sehr sich Steinbrück bemüht, den Gegner zu kritisieren, so sehr befinden sich die Sozialdemokraten allerdings selbst in einer schwachen Phase. Der Partei fehlen Themen und gutes Personal. Ob der ehemalige Finanzminister seine Partei in zwei Jahren auf Regierungskurs bringen kann, darf angesichts des Zustands der SPD bezweifelt werden. Angela Merkel hat - nicht zuletzt aufgrund der Energiewende - bereits einige Machtoptionen für 2013: Schwarz-Grün, Schwarz-Gelb oder Große Koalition. Nur wenn es für Rot-Grün zu einer Mehrheit reichen würde, könnte ihre Kanzlerschaft vorbei sein. Viele sehen Angela Merkel bereits auf dem absteigenden Ast. Im Frühsommer 2010 steckte sie nach dem Machtverlust in Nordrhein-Westfalen in der größten Krise ihrer politischen Karriere. Genau ein Jahr später befindet sich Schwarz-Gelb und die Regierungschefin erneut in einer schwierigen Lage. Peer Steinbrück läuft sich währenddessen schon einmal warm. Selbst wenn er gute Chancen hat, gegen Merkel ins Rennen zu gehen, sollte er schlau genug sein zu wissen, dass jemand, der Merkel unterschätzt, eigentlich schon verloren hat.
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