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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Merkels Halbzeitbilanz

Bielefeld (ots)

Bevor die Kanzlerin sich an diesem Wochenende in den Sommerurlaub verabschiedet, wollte sie in Berlin noch einmal das letzte Wort haben. Sie zog eine Bilanz, um die sie überall beneidet wird: sinkende Arbeitslosigkeit, hohes Wirtschaftswachstum und der Hinweis auf gestiegene Löhne. Das sind Fakten, die für die Kanzlerin sprechen. Die Wähler zeigen hingegen in Umfragen zur Halbzeit der schwarz-gelben Koalition ihren Unmut. Da verharrt die FDP bei vier und die Union bei 33 Prozent. Damit sind CDU und CSU zwar die mit Abstand stärkste Fraktion im Bund - auf äußerst niedrigem Niveau. Zufrieden kann und darf aber die Kanzlerin damit nicht sein. Gerade wurde Angela Merkel in der spanischen Tageszeitung »El Pais« als die »mächtigste Frau der Welt, aber auch die dickköpfigste« bezeichnet. Auf den ersten Blick grenzt die zweitgenannte Eigenschaft an Beleidigung. Viel eher ist es eine Beschreibung, die nach Ansicht vieler CDU-Anhänger bei der Kanzlerin noch viel zu gering ausgeprägt ist. Zu selten vertritt sie einen Standpunkt, den sie mit ganzer Kraft verteidigt. Und wenn, dann fühlen sich nicht alle Parteimitglieder an den Entscheidungen beteiligt. Beispiel Energiewende: Als revolutionär pries die Kanzlerin im vergangenen Herbst die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken. Nach der Atomkatastrophe von Fukushima und vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg folgte die Rolle rückwärts mit dem Atomausstieg bis spätestens 2022. Schwarz-Gelb auf rot-grünen Pfaden: So mancher Anhänger in der Union wünscht sich von der Kanzlerin mehr Dickköpfigkeit. Beispiel Bundeswehr: Jahrzehntelang galt für die Union die Wehrpflicht für unantastbar. Innerhalb eines Jahres verordnete die Regierung der Bundeswehr eine Reform und setzte die Wehrpflicht aus. Mit diesem Tempo kommt nicht jeder mit. Beispiel Steuerpolitik: Allein das Wort Hotelsteuer beschreibt das Dilemma. Die Koalition plant das Richtige - nicht immer gelingt das. Entlastung der Bürger, Stärkung des Wachstums und die Staatsschulden abtragen - Union und FDP streiten heftig über die Reihenfolge. Beim Wähler kommt das nicht gut an. Wenn die Koalition sich auf eine Strategie festgelegt hat, muss sie mit Dickköpfigkeit verteidigt werden. Umfragen gehen an Schwarz-Gelb nicht spurlos vorüber. Entscheidend sind Wahlergebnisse. Zwei Jahre hat die Kanzlerin Zeit für einen Umschwung. Die entscheidenden Themen fehlen. Über innere Sicherheit und Haushalt streiten sich FDP und Union. Die Bundeswehrform ist längst nicht umgesetzt. Wo steht Deutschland in zehn Jahren? Was wird aus der Vision Europa? Wo liegen die Grenzen für einen deutschen Einsatz in der Welt? Wenn Merkel diese Fragen beantwortet, hat sie bei der Bundestagswahl 2013 noch eine Chance.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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