Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Papst zur Ökumene
Bielefeld (ots)
Der zweite Tag des Papstbesuches war geprägt von großen Gesten und Symbolik, nicht aber von großen Worten. Und auch wenn am »Tag der Ökumene« einige drängende Fragen unbeantwortet geblieben sind, war Benedikts Auftritt im Augustinerkloster zu Erfurt historisch und zugleich ein starkes Signal. Der Freitag endete mit bewegenden Bildern und einer regelrechten Euphorie im erzkatholischen Eichsfeld - fast 90 000 Pilger jubelten dem Heiligen Vater zu.
Es war keine Überraschung, dass das Oberhaupt der Katholischen Kirche in Erfurt nicht zu den großen Reformen aufgerufen hat. Der Papst ging nicht auf den Wunsch nach gemeinsamer Eucharistiefeiern von Katholiken und Protestanten ein. Und auch die Themen Erleichterungen für gemischt-konfessionelle Paare oder die Aufhebung des Banns gegen Luther ließ er aus. Warum?
Für Benedikt XVI. ist die Annäherung der christlichen Kirchen nicht etwas, das in Form eines Vertrages ausgehandelt werden könnte. Wörtlich sagte er: »Der Glaube der Christen beruht nicht auf einer Abwägung unserer Vor- und Nachteile. Ein selbst gemachter Glaube ist wertlos.« Übersetzt heißt das: Wir sind noch nicht so weit. Die Kirchen sind es nicht, und die Gesellschaft ist es auch nicht. Richtige Einheit funktioniert nur durch tieferes Hineindenken und Hineinleben in den Glauben.
Der Papst ist ein Meister des diplomatischen Wortes. Man muss schon zwischen den Zeilen lesen, um zu erahnen, wie sich der Papst die Zukunft der christlichen Kirchen vorstellt. Obwohl Benedikt XVI. das starke Vorankommen der Ökumene betont hat, sind die Trennlinien zwischen beiden Kirchen nach wie vor spürbar. Heißt im Klartext: Ökumene ist gut und sinnvoll, zu viel Ökumene und zu schnelle Reformen sind (noch) nicht gewünscht. Dazu passt die These des Philosophen Richard David Precht: Je liberaler die katholische Kirche wird, desto mehr muss sie den Verfall fürchten.
Aber so sehr die Gläubigen der evangelischen Kirche auch enttäuscht sein mögen, so sehr haben sie auch Grund zur Freude: Der Papst hat das Kloster besucht, in dem Martin Luther vor 500 Jahren als katholischer Mönch lebte, danach seine reformatorischen Einsichten hatte und die Spaltung der abendländischen Kirchen begann. In Erfurt begegneten 20 Vertreter der katholischen Kirche 20 Gesandten der evangelischen. Somit gilt das ökumenische Gespräch kirchenpolitisch als Höhepunkt der Reise. Die Bereitschaft des Vatikans zum Treffen an diesem Ort ist eine große Geste.
Präses Nikolaus Schneider hat den Papst nach Erfurt eingeladen und er ist gekommen. Auch wenn sich manche mehr versprochen haben: Protestanten und Katholiken sind wieder ein bisschen näher gerückt - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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