Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Biefeld) zu den Wahlen in Spanien
Bielefeld (ots)
Irland, Portugal, Slowakei, Griechenland, Italien und jetzt Spanien: Seit Februar hat die europäische Währungs- und Wirtschaftskrise sechs Regierungschefs um ihr Amt gebracht. Die unter der Krise leidenden Bürger schicken ihre Ministerpräsidenten mittlerweile reihenweise in die Wüste. Sie wissen sich nicht anders zu helfen und machen den Wahlzettel zum Denkzettel - ohne dass die neuen Kräfte unbedingt die Besseren sein müssen. So auch in Spanien, wo sich die sozialistische Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero freiwillig vorgezogenen Wahlen stellte und sie erwartungsgemäß verlor. Spaniens Krise fußt vor allem auf der Überschuldung privater Haushalte. Ähnlich dem schon 2008 in den USA als »subprime« breschriebenen Problem sind Immobilienkredite massenhaft mit extrem kurzen Laufzeiten vergeben worden. Durch die inzwischen höchste Arbeitslosigkeit im Euro-Raum und steigende Zinsen ist derzeit fast jede einzelne Umschuldung ein privates Drama. Und damit ist die Sache wieder ein gesamtgesellschaftliches Problem, das niemand zu lösen weiß. Wahlsieger Mariano Rajoy ist nicht zu beneiden. Sein Land muss für Staatsanleihen Zinsen fast auf Griechenlandniveau zahlen. Dabei betragen die Staatsschulden »nur« 61 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und sind geringer als in Deutschland mit 83 Prozent. Vorgänger Zapatero hat in Brüssel versprochen, 2013 werde die zulässige Verschuldungsgrenze von 3,0 Prozent wieder unterschritten. Wie das bei aktuell 0,0 Prozent Wachstum gelingen soll, weiß niemand. Auch deshalb ist sein Rauswurf aus der Verantwortung berechtigt. Die Spanier haben sich für einen harten Sanierungskurs entschieden. Rajoy und seine konservative Partido Popular werden ihnen viele Opfer abverlangen. Das ist erstaunlich und zeigt, dass Wähler nicht mehr auf Wahlgeschenke hereinfallen, die sie am Ende selbst bezahlen müssen. Brot und Spiele, das war einmal. Not für viele, das ist der Preis. Es bleibt abzuwarten, ob die Vernunft anhält und Rajoy die kommenden vier Jahre übersteht. Er muss sich beeilen. Vermutlich ist nicht einmal Zeit, das übliche Prozedere für die Regierungsbildung und den Amtswechsel bis zum 22. Dezember abzuwarten. Brüssel verlangt schnelles Regierungshandeln und Entscheidungen. Mehr noch: Der Zinssatz für spanische Staatsanleihen kennt keine Gnade und Rücksicht auf demokratische Gepflogenheiten. Hilfreich wäre es, wenn Zapatero und Rajoy eine Ad-hoc-Übergangsregierung bilden könnten, die das Land in den kommenden kritischen Wochen aentscheidungsfähig hält. Spätestens mit Spanien wissen alle anderen Noch-Regierenden in Europa, was auf dem Spiel steht. Wer sich mit unhaltbaren Versprechungen durchmogelt, wird abgewählt. Wenigstens etwas Gutes, das die Krise bewirkt!
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