Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) mit Pro und Kontra zu Ladenöffnungszeiten
Bielefeld (ots)
PRO: »Freie Öffnungszeiten für freie Arbeitnehmer«
Der Wunsch, die Uhr zurückzudrehen, ist verständlich. In der Praxis ist dies allerdings selten möglich - schon gar nicht beim Ladenschluss. Die Gründe, die zu der grundlegenden Liberalisierung geführt haben, gelten heute noch mehr als vor fünf Jahren, als das Gesetz in Nordrhein-Westfalen letztmals geändert wurde. Der Anteil der Beschäftigten, die morgens um neun Uhr ihre Arbeit aufnehmen und um 17 Uhr ins Auto oder in den Bus nach Hause steigen, schrumpft weiter von Jahr zu Jahr. Die anderen stellen die Mehrheit. Für sie einzutreten wäre eigentlich Aufgabe der Gewerkschaften. Jede Einschränkung der Ladenöffnungszeiten würde ihren Stress erhöhen. Dabei soll Einkaufen doch Spaß machen. Wer abends nach 19 oder gar 20 Uhr den Einkaufswagen durch einen Supermarkt schiebt, kann mitunter den Eindruck einer After-Work-Party haben. Das zeigt: Die Serviceleistung des Einzelhandels wird geschätzt - ein wichtiges Argument gerade im Vergleich zum Internet. Unklar ist, ob bei längeren Öffnungszeiten mehr Geld ausgegeben wird. Mindestens aber verteilen sich die Ausgaben anders. Wer zu den richtigen Zeiten öffnet und den Kunden mehr Service bietet, profitiert. Und das ist gut so. Mit der Forderung nach Rücknahme des freien Ladenschlusses aber folgt Verdi nicht einmal den Interessen der meisten Verkäuferinnen und Verkäufer. Manche können überhaupt nur in den Randzeiten arbeiten. Viele brauchen die höheren Stundenlöhne. Nichts spricht gegen ein neues Ladenschlussgesetz, wenn dadurch falsche Einschränkungen etwa gegen den Verkauf von Blumen und Backwaren an hohen Feiertagen korrigiert werden. An den freien Öffnungszeiten für freie Arbeitnehmer aber sollte sich nichts ändern.
KONTRA: »Kompromiss zum Schutz von Familie und Freizeit«
Natürlich hat sich die Arbeits- und Einkaufswelt in den vergangenen Jahren weiter gedreht. Doch Einkaufen bis in die Nacht hinein oder samstags zu Zeiten, in denen früher die ganze Familie vor dem Fernseher versammelt war, muss nun wirklich nicht sein. Der Kunde kann den Euro nur einmal ausgeben. Daran hat sich nichts geändert und daran wird sich auch nichts ändern. Allzu ausgeweitete Öffnungszeiten leisten vielmehr der Veränderung der Gesellschaft Vorschub und sind familienfeindlich. Und das gilt nicht nur zwangsläufig für die betroffenen Beschäftigten im Einzelhandel, sondern manchmal auch für Kunden, die den unbegrenzten Konsumverlockungen erliegen. Soziale Kontakte und Vereinsaktivitäten werden in Mitleidenschaft gezogen. Ob bei der Chorprobe am Mittwochabend oder beim Mannschaftssport mit Spielbetrieb am Wochenende: Mitstreiter fehlen, weil sie hinter der Kasse sitzen oder Waren in die Regale räumen müssen. Ganz zu schweigen vom sonntäglichen Einkaufstourismus: Inzwischen gibt es kaum einen Sonntag im Jahr, an dem nicht im Umkreis von 30 Autominuten Geschäfte ihre Türen öffnen und um Kunden buhlen. Vielen Mitarbeitern dürfte die Flexibilisierung auch keinen Vorteil gebracht haben. Offenbar wurden Vollzeitstellen zugunsten von Minijobs geopfert. Und das sicherlich nicht immer freiwillig. Um eines klar zu stellen: Ein Rückfall in alte Zeiten mit Mittagspause und Ladenschluss um 18.30 Uhr ist sicherlich nicht zeitgemäß. Das kann niemand ernsthaft wollen. Doch eine für alle Beteiligten - Mitarbeiter, Kunden, aber auch Händler und Konzerne - vernünftige Kompromisslösung sollte zu finden sein. Aus meiner Sicht wäre die erreicht, wenn sich die Türen wochentags um 20 Uhr und samstags spätestens um 18 Uhr schließen.
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