Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Iran
Bielefeld (ots)
Im Iran soll der evangelische Pastor Youcef Nadarkhani möglicherweise in den nächsten Tagen hingerichtet werden. Vorwurf: Abfall vom Islam und Werbung für das Christentum. Staatliche Medien schimpfen ihn auch einen Zionisten, Einbrecher und Erpresser, der ein »Haus des Verderbens« (sprich: Bordell) geleitet habe. Tatsächlich predigte und betete Nadarkani in kleinsten christlichen Hauskirchen, in denen sich sowohl evangelikale Christen als auch römisch-katholisch Orientierte sammeln - möglicherweise in wachsender Zahl. Der Tod durch den Strang wird im Lande der Mullahs nicht selten per Autokran auf öffentlichen Plätzen vollstreckt - eine politische Demonstration, die einflussreichen Kreisen vor den Parlamentswahlen am Freitag nicht besser ins Konzept passen könnte. Die Regierung von Ministerpräsident Mahmud Ahmadinedschad hat sich in eine Sackgasse manövriert. Fortwährende Drohungen, Israel auszulöschen, das Spielen mit der Bombe und die spürbaren Wirtschaftssanktionen verschärfen die innenpolitische Lage. Dabei werden »Staatsangelegenheiten« letztlich von Ajatollah Ali Chamenei und seinen theologischen wie juristischen Beratern entschieden. Nicht zu vergessen: Der arabische Frühling 2011 hatte einen Vorläufer, als junge Iraner Ahmadinedschads angebliche Wiederwahl im Juni 2009 nicht akzeptierten und massenhaft auf die Straße gingen. In dieser Gemengelage ist es 2011 fast zur Vervierfachung der Zahl der öffentlichen Hinrichtungen auf 50 gekommen. Die Gesamtsumme vollstreckter und bekanntgewordener Tötungen nach iranischem Recht ist laut Amnesty auf 600 gestiegen. Auch deshalb kann Pastor Nadarkhani kaum noch darauf hoffen, dass wenigstens eine Instanz im unübersichtlichen Herrschaftssystem das Schlimmste verhindert. Käme es dennoch dazu, wäre es die erste Vollstreckung eines Todesurteils gegen einen Konvertiten im Iran. Wenn überhaupt, kann nur noch öffentlicher Druck die Schergen des Mullahregimes zögern lassen, das Urteil zu vollstrecken. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) hat in Deutschland eine bemerkenswerte Solidaritätswelle für den Pastor ins Rollen gebracht. Täglich unterschreiben derzeit bis zu 2000 Deutsche den IGFM-Gnadenappell für Pastor Nadarkhani. Sein Fall ist einer von vielen. Er steht für viele andere christliche Glaubensgefangene und gewiss eine lange Reihe unbekannter Schicksale in den Foltergefängnissen dieser Welt. Thesen, wonach die Christenverfolgung in der Geschichte noch nie so dramatisch war, wie heute, sind schwer nachprüfbar. Wer aber auf die vermeintlichen Einzelfälle von Nigeria, über Palästina, Saudi-Arabien und Pakistan bis China schaut, den erfasst ein eiskaltes Grausen - auch weil ein entschiedener Aufschrei des Weltgewissens ausbleibt.
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