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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu Günter Grass und den Folgen seines Gedichtes "Was gesagt werden muss"

Bielefeld (ots)

Ist die Spirale der Eskalation erst einmal in Gang gesetzt, gibt es scheinbar kein Halten mehr. Weil Günter Grass in seinem Gedicht »Was gesagt werden muss« Israel als Risiko für den Weltfrieden kritisiert, haut ihm Henryk M. Broder gleich das Totschlagargument »Antisemit« um die Ohren. Grass wiederum, verärgert über die Kritik im deutschen Blätterwald an den Aussagen seines Gedichts, wettert gegen die angeblich »gleichgeschaltete Presse«. Zu Ostern dann der Höhepunkt der Tag für Tag steigenden Aufregung: Israel erteilt Grass ein Einreiseverbot, Innenminister Eli Jischai fordert sogar die Aberkennung des Literaturnobelpreises. Ohne Not ist aus einem simplen Gedicht ein Politikum geworden. Die Hauptschuld daran trägt Grass selbst. Entgegen dem Titel hätte gerade nicht gesagt werden müssen, was er Mitte der Woche veröffentlichte. Dem 84-Jährigen sind offenbar die Pferde durchgegangen, das Gedicht ist so überflüssig wie ein Kropf und dessen Inhalt eine Verkehrung der Sachlage. Nicht die Atommacht Israel gefährdet den »brüchigen Weltfrieden«, wie Grass behauptet, sondern der Iran ist der entscheidende Unsicherheitsfaktor in der Region. Dessen diktatorisches Regime strebt nach militärischer Macht und beunruhigt die Demokratie Israel. Grass' Gedicht ist schlicht eine Provokation. Das ist es, was dazu gesagt werden muss. Der Aussetzer des Günter Grass rechtfertigt allemal Widerspruch, aber Israels Reaktion ist übertrieben ausgefallen. Tel Aviv hätte das Gedicht einfach ignorieren sollen, denn der Inhalt und die massive Kritik an ihm in Deutschland sprechen ja für sich. Mit dem Einreiseverbot erweckt die Regierung aber den Eindruck, das hohe Gut der Meinungsfreiheit nicht wertzuschätzen. Und die Forderung nach der Aberkennung des Literaturnobelpreises ist schlicht unsinnig. Den hat Grass für sein literarisches Werk bekommen und nicht für politische Korrektheit in seinen Aussagen. Durch die scharfe Reaktion hat die Regierung ohne Not dafür gesorgt, dass sich der Scheinwerfer der Öffentlichkeit weg von Günter Grass und hin zu Israel bewegt hat. Noch ein Wort zur Macht oder Ohnmacht von Literatur. Seit Jahrhunderten verfassen Schriftsteller flammende Appelle für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit - meist folgenlos. Man denke nur an Heinrich Heines »Lied von den schlesischen Webern«, in dem er die Ausbeutung und Not der Menschen und deren Wut in den 1840er Jahren so wortstark beschreibt (»Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch, wir weben hinein den dreifachen Fluch - wir weben, wir weben!«). Unliebsame Autoren wurden verhaftet oder verbannt, deren Werke verboten oder zensiert. In der Medien- und Internetgesellschaft des 21. Jahrhunderts können das nur noch wenige Länder wie China. Literatur kann heute mehr Wirkung entfalten denn je - leider auch im negativen Sinne, wie das Beispiel Günter Grass gerade zeigt.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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