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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Breivik-Prozess

Bielefeld (ots)

Mit Anders Behring Breivik steht in Oslo ein Monster vor Gericht. Schon am ersten Tag haben sich im Prozess um den Terror vom 22. Juli 2011 Abgründe zwischen Wahrheit und Wahnsinn aufgetan. Und die geballte Ladung an Zumutungen wird die Opfer und Angehörigen der 77 Toten noch breiter und brutaler treffen. Breivik will an mindestens fünf Verhandlungstagen seine Motive schildern. Breivik nutzt den Prozess als ganz große Bühne. Seinen ersten Auftritt inszenierte er gestern mit eisiger Gleichgültigkeit - ein Schock mit Ansage. Denn die irre Aufführung war absehbar, ist aber unvermeidlich. Bei allem Schmerz für die Betroffenen, Norwegen und die Welt müssen sich mit dem kruden Weltbild dieses Islamhassers auseinandersetzen. Auch das 1500-seitige Internetpamphlet, das Breivik unmittelbar vor seiner Untat verbreitete, gehört auf die Richterbank. Dabei geht es nicht einfach um irgendeine Schmähschrift, sondern die Dokumentation einer unsäglichen Radikalisierung. Breivik steht für die schlimmstmögliche Entwicklung, die aus kleinen Gehässigkeiten und Selbstüberschätzung erwachsen kann. Breiviks Weg ist in Norwegen einmalig. Aber er ist ein Pfad in Blindheit und Menschenverachtung, der unbedingt offengelegt werden muss. Die allgemeine Floskel »wehret den Anfängen« lässt sich hier sehr konkret und chirurgisch präzise freilegen. Deshalb müssen wir uns alle den Tort fairer Rechtsprechung antun. Der Streit der Gutachter um Breiviks Zurechnungsfähigkeit, der zweite Aspekt an den kommenden Prozesstagen, ist positiv. Die öffentliche Auseinandersetzung der Richter mit widersprechenden Expertenmeinungen ist entschieden besser, als eine Entscheidung auf der Basis von Protokollen der Psychiater. Im Namen des norwegischen Volkes wird nunmehr darüber zu befinden sein, ob der Täter bestraft werden kann oder nicht. Das letzte Wort der Richter wird, so oder so, transparenter und für die Öffentlichkeit nachvollziehbarer sein. Schließlich ist die Frage der Zurechnungsfähigkeit noch lange nicht beantwortet. Breivig wertet dieses zweite, erst vor wenigen Tagen publik gewordene Gutachten, das ihn für geistig gesund erklärt, als »Sieg«. Für den Täter wäre es unerträglich, zum Psychopathen abgestempelt zu werden. Sei's drum. Entscheidender ist die zweite Meinung der Gutachter für die politische Debatte über Radikalismus. Breivik käme viel zu billig davon, wenn man dessen Rassismus und Mordwahn unter dem Rubrum »geisteskrank« begrübe. Breivik steht in Europa, das sich als geistig gereift begreift, nicht allein. Auch die Zwickauer Zelle und der Hasssmörder Mohamed Merah aus Toulouse, nur zwei Beispiele, sind im Hass gefangen. Allein rechtsstaatliche Verfahren sind in der Lage, vermeintliche Monster als das zu demaskieren, was sie sind - abschreckende Beispiele für fürchterliche Fehlentwicklungen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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