Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Tod von Neil Armstrong
Bielefeld (ots)
Neil Armstrong, der erste Mann auf dem Mond, hat der Menschheit am 21. Juli 1969 den Weg in neue Welten geöffnet. Er in Person hat bewiesen, dass Menschen jenseits der filigranen Hülle, die wir Atmosphäre nennen, im Weltall leben, ja dass sie ein Raumfahrtzeug verlassen und fern der Erde Fußspuren hinterlassen können. Aber er war andererseits auch einfach einer von uns, einer, der auf einem Bauernhof geboren wurde, mit dem Auto zur Arbeit fuhr, seine Pflicht tat und irgendwann in Rente ging. Die Evolution und die technische Entwicklung rückten ihn mit knapp 39 Lebensjahren auf jene Menschheitsposition, die ihn zum ersten Mann auf dem Mond machte. Doch dieser kluge Kopf wusste selbst am besten, dass alles somit auch ein Teil der Fügung, ja Zufall war: Neil Armstrong, der richtige Mann zur rechten Zeit an der passenden Stelle. Das war alles. Und deshalb hob er nicht ab. Ohne seinen Erfolg gäbe es heute keine Mars-Expedition, würde nicht gerade jetzt der Roboter »Curiosity« erkunden, unter welchen Bedingungen Menschen dort, auf dem roten Nachbarplaneten, landen werden. Und dass dieses eines Tages der Fall sein wird, ist sicher. Dafür steht Neil Armstrong. Jeder Rummel um seine Person jedoch war ihm suspekt. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf die Hunderttausenden von Wissenschaftlern, Ingenieuren, Planern, Technikern und Mechanikern, die ihm und seinen Gefährten Buzz Aldrin und Michael Collins die Rakete für jenes von der halben Erdbevölkerung am Fernsehbildschirm verfolgte Ereignis bereitstellten. Er verwies auf die Pioniere von Luft- und Raumfahrt, die vor ihm erfolgreich von ihren Flügen zurückgekehrt waren - oder auch den Fortschritt mit dem Leben bezahlten. Nicht etwa, dass Armstrong öffentlichkeitsscheu gewesen wäre: Er habe kein Problem mit Aufmerksamkeit, er verdiene sie nur nicht, sagte er einmal. Seine Leistung mindert das nicht - im Gegenteil: Die heute als lächerlich erscheinenden 400 000 Kilometer bis zum Mond waren mit der Technologie und dem Wissen von 1969 wohl keinen Deut weniger riskant als heute die Reise zum 50 bis 400 Millionen Kilometer entfernten Mars. Auch als Astronaut kannst du schließlich nur einmal sterben. Armstrongs Devise jedoch war ein Leben lang: tun, nicht reden. Zielstrebig ging er seinen Weg zu den Sternen von Jugend an, verkniff sich aber jede Art von Überlegenheitsrhetorik, selbst gegenüber dem sowjetischen Rivalen um die Vorherrschaft im All. Zwei Jahre nach seiner Mondlandung zog sich Armstrong zurück an eine Uni in der amerikanischen Provinz, lehrte und forschte weiter in der Sache, die ihm über alles ging. Und exakt das ist die Tugend, die seine Größe markiert. Neil Armstrong war ein Vorbild - sein Fußabdruck auf dem Mond steht dafür bis in alle Ewigkeit. Aber auch ohne wäre er ein Vorbild gewesen. Nur spräche jetzt, nach seinem Tode, niemand darüber.
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