Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Kanzlerkandidatur
Bielefeld (ots)
Endlich. Noch länger hätte man die Troika und das Herumgeeiere der SPD nicht mehr ertragen können. Peer Steinbrück also gegen Angela Merkel. Soviel steht fest: Langweilig wird der Bundestagswahlkampf nicht werden. Die K-Frage ist beantwortet. Aber gleichzeitig stellt sich eine neue Frage: Peer Steinbrück ist bereit, aber ist die SPD auch bereit für ihn? Kein Zweifel: Der ehemalige Bundesfinanzminister hat die größten Chancen, Angela Merkel das Amt streitig zu machen. Gabriel kann nicht, Steinmeier will nicht. Seine Niederlage bei der Bundestagswahl 2009 mit nur 23 Prozent der Stimmen wiegt noch immer zu schwer. Es ist somit keine Überraschung, dass Peer Steinbrück »sich ins Schaufenster stellt«, wie er selbst sagt. Auch der Zeitpunkt der Bekanntgabe wundert nicht. Die Personalentscheidung war längst überfällig. Die Troika wurde in der Öffentlichkeit nur noch als Trauma wahrgenommen. Überraschend ist aber, wie die SPD die Entscheidung vorbereitet hat. Während die ersten Medien schon morgens fleißig berichten und am Nachmittag die Kandidaten-Kür in Berlin verkündet werden soll, befindet sich Parteichef Sigmar Gabriel auf dem Weg in die andere Richtung - nach München, um beim Kommunalpolitikertag zu sprechen. Die Panne ist nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass die Troika ganz eng zusammenarbeitet, wie Sigmar Gabriel später behauptet. Peer Steinbrück ist ein Mann mit Ecken und Kanten. Er meint, was er sagt, und sagt, was er meint. Eben ein Vollblutpolitiker mit Angriffslust. Steinbrück genießt höchstes Ansehen. Vor allem in Wirtschafts- und Finanzfragen wird er gegen Merkel auf die »Abteilung Attacke« setzen. Er ist ein Querdenker, keiner, der anderen nach dem Mund redet. Das alles zeichnet ihn zwar aus. Teile der SPD-Basis lehnen ihn aber aus genau diesen Gründen ab. Der »Schröderianer« steht zu den Hartz-Reformen und würde eine Agenda 2020 sofort unterschreiben. Er spricht lieber von Streichung von Subventionen als über die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns. Damit streichelt er nicht gerade die Seele seiner Sozialdemokraten. Mit Steinbrück rückt die SPD nach rechts. Weil er für die Partei im Gegensatz zu Hannelore Kraft eher der harte Entscheider statt jemand zum Liebhaben ist, fremdeln viele Sozialdemokraten mit ihm. Sie wollen keinen Schröder 2.0 und auch keine »Basta-Politik«. Mit Peer Steinbrück bekommt Angela Merkel einen Gegner, der alles auf eine Karte setzt. Steinbrück will Kanzler werden - sonst nichts. Gewinnt Merkel, hält er lieber weiter Vorträge. Am Wochenende wird sich zeigen, wie beliebt Steinbrück bei der Basis wirklich ist. Beim Landesparteitag in Münster werden alle Augen auf ihn gerichtet sein. Eigentlich sollte es der große Auftritt der Wahlsiegerin Hannelore Kraft werden - und nun? Die SPD muss sich bekennen.
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