Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Peer Steinbrück
Bielefeld (ots)
»Der Start von Peer Steinbrück hätte besser sein können.« So klingt es meistens aus den eigenen Reihen, wenn die Lage in Wahrheit miserabel ist. Die Diskussion über seine Nebenverdienste hat Peer Steinbrück dramatisch geschadet. Selbst in der eigenen Partei musste Merkels Herausforderer an Beliebtheit einbüßen. Damit ist er für die SPD zum Problem-Peer geworden. Das hatten sich die Sozialdemokraten vor vier Wochen wohl ganz anders vorgestellt. Peer Steinbrück, der Kandidat mit der Beinfreiheit, sollte der Partei Glanz verleihen. Doch statt für neue Power zu sorgen, steht der Hoffnungsträger nun selbst am Pranger. 25 000 Euro-Gagen für Gesprächsrunden sind keine Kleinigkeit. Da braucht die Partei eine neue Gerechtigkeitsdebatte gar nicht erst anzustoßen. Die SPD muss sich stattdessen mit schlechten Umfragewerten herumschlagen. Das ist um so blamabler, wenn man bedenkt, wie bescheiden der Zustand des politischen Gegners ist und wie mäßig sich die Regierung in den vergangenen Monaten bei den Themen Betreuungsgeld, Praxisgebühr und Rente verhalten hat. Aber es sind nicht nur Steinbrücks Honorare alleine, die ihm schaden. Die Mehrheit der Deutschen hält es sogar für richtig, dass Politiker mit Vorträgen Geld verdienen. Fast 60 Prozent äußern sich so. Vielmehr hat Steinbrück das Problem, von zu vielen Wählern als zu unsympathisch wahrgenommen zu werden. Steinbrücks ruppige Art ist nicht jedermanns Sache. Er ist kein Menschenfänger wie Barack Obama, sondern der Unbequeme, der unzufriedene Typ Wadenbeißer. Die Menschen wollen lieber jemanden zum Liebhaben wie Hannelore Kraft oder jemanden, der pflichtbewusst, höchst professionell und ohne Show seine Arbeit macht wie Angela Merkel. Im Gegensatz zu Steinbrück hat die Bundeskanzlerin in dieser Woche alles richtig gemacht. Aus der Einigung der Koalition, die nur auf dem Papier eine war, hielt sie sich clever heraus. Merkel wollte bewusst nicht mit dem ganzen Hickhack um das Betreuungsgeld, die Praxisgebühr und die Rente in Verbindung gebracht werden. Stattdessen hielt sie vor dem Europäischen Parlament eine brillante Rede, in der sie die Euro-Krise messerscharf analysierte und deutlich machte, wie sehr sie die Nazi-Parolen und Hakenkreuze verletzt haben, mit denen sie zuletzt in Teilen Europas in Verbindung gebracht wurde. Peer Steinbrück hat andere Sorgen. Der passionierte Schachspieler sagte einmal, dass im Vergleich zur Politik Niederlagen im Schach zwar mehr, aber kürzer schmerzten. Weil sie eindeutig nur auf einen selbst zurückzuführen seien. Ob er das nach seinem misslungenen Start heute noch genauso sieht, darf bezweifelt werden. Ein weiterer Satz beschreibt zwar auch sein Schachspiel, passt aber auch zu seinem Politikstil: »Meine Offensiven sind häufig gut angelegt, scheitern dann aber meist in der Durchführung.«
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