Westfalen-Blatt: zum Thema Nahost-Krise
Bielefeld (ots)
Im Nahen Osten sagt man, dass Israel Schlachten und Kriege gewinnen, aber keinen Frieden schließen könne. Die jüngste Gaza-Aktion zeigt, dass Israel keinen Plan für eine Waffenruhe hat. In Kairo wird derweil über einen Raketenstillstand verhandelt. Zwar mit israelischer Beteiligung, aber unter Leitung der in Ägypten herrschenden Muslimbrüder um Präsident Mohammed Mursi. In Israel wird heftig über die Absichten der Bombardierung des Gaza-Streifens spekuliert. Will Premierminister Benjamin Netanjahu den Iran zu einer Aktion oder zumindest zu noch schärferer Rhetorik provozieren, um einen Präventivschlag gegen die Atomanlagen rechtfertigen zu können? Will er der Fatah-Führung im Westjordanland schaden, weil die Hamas wegen ihres militärischen Konflikts mit dem gemeinsamen Feind dort nun noch mehr Zustimmung gewinnt? Wahrscheinlich liegt der Grund für den Waffengang viel näher. Am 22. Januar wählen die Israelis ihr Parlament neu. Der Taktiker Netanjahu ist als Regierungschef so unangefochten, weil er über Jahre für relative Ruhe gesorgt hat. Das gilt auch für seine erste Amtszeit von 1996 bis 1999, in der er nicht als Kriegsfürst auffiel. Wenn täglich mehr Raketen auf israelischem Gebiet einschlagen und mit iranischer Hilfe bis Tel Aviv und sogar Jerusalem reichen, dann sieht der Premier seinen Markenkern bedroht. Mangels Konkurrenz würde das seine Wiederwahl jedoch nicht gefährden. An einem Feldzug in Gaza kann Israel kein Interesse haben. Noch mehr getötete Zivilisten in Gaza würden Israels Ruf in der Welt weiter beschädigen, und im eigenen Land würden hohe Verluste das Klima im Wahlkampf belasten. Und das Ziel eines Einmarschs mit Bodentruppen ist ohnehin nicht mehr erreichbar: Die Hamas endgültig zu zerschlagen, ist seit der Machtübernahme der Muslimbrüder in Ägypten, aus denen die Hamas einst hervorgegangen ist, nahezu unmöglich geworden. Was derzeit in Gaza passiert, bereitet auch Mahmud Abbas große Sorgen. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde regiert mit seiner Fatah-Partei im Westjordanland. Am 29. November will Abbas bei den Vereinten Nationen (UN) einen Antrag stellen, der brisante Folgen haben könnte: die Anerkennung der Staatlichkeit Palästinas. Die einfache Mehrheit in der UN-Vollversammlung gilt als sicher, obwohl Israel und seine Verbündeten (darunter die USA und Deutschland) hinter den Kulissen versuchen, eine Zustimmung zu verhindern. Gegen den geplanten Antrag auf den Status eines Beobachterstaates bei den Vereinten Nationen baut die Regierung Netanjahu derweil eine Drohkulisse auf. Da der Antrag gegen Vereinbarungen mit Israel verstoßen würde, kündigen Minister vollmundig die Annektierung der Siedlungen auf besetztem Gebiet an. Dies würde zwangsläufig zum Ausbruch einer dritten Intifada führen.
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