Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Lauschangriff des amerikanischen Geheimdienstes
Bielefeld (ots)
Der große Lauschangriff des amerikanischen Geheimdienstes NSA auf Millionen Amerikaner und die de facto Total-Überwachung des Internets sind für sich genommen kein Skandal. Die Regierung Präsident Barack Obamas handelt nach den Buchstaben des Gesetzes. Dieses erlaubt den Schlapphüten unter Aufsicht der anderen Gewalten, gewaltige Mengen an E-Mails, Dokumenten, Audio-Dateien, Videos und anderen Daten aus dem Netz zu saugen. Wohlgemerkt sorgen an die Öffentlichkeit durchgesickerte Ausbildungsunterlagen für Geheimdienst-Analysten und ein Gerichtsbeschluss für die Aufregung, nicht das rechtswidrige Handeln eines Verantwortlichen im Verborgenen. Skandalös sind die Sicherheits- und Anti-Terrorgesetze, die weit über alles hinausgehen, was in Deutschland diskutiert wird. Der Vorratsspeicher wird in den USA von einem Geheimdienst verwaltet und dank einer Blankovollmacht nach Herzenslust durchforstet. Die Analysten unterscheiden nicht zwischen Ausländern und Amerikanern, weil das technisch unmöglich ist. Und wenn die Daten unbescholtener Bürger auf den Schirmen der Behörde auftauchen? Laut NSA ist das nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Das sehen viele Amerikaner anders. Vor allem Bürgerrechtler, denen der mehrfach verlängerte »Patriot Act« ein Dorn im Auge ist. Irritiert nehmen sie zur Kenntnis, dass die Bundespolizei FBI bei Internet-Riesen per Zwang Schnittstellen und geheime Schalträume installieren kann, die den Internet-Verkehr auf die Geheimdienstrechner spiegeln. Überwachung von Telefon und Internet - Orwell lässt grüßen. Eigentlich wollte Obama seinem chinesischen Staatsgast Xi Jingbing über die chinesischen Hackerangriffe die Leviten lesen. Nun hat er angesichts der legalen, aber geheimen Aktivitäten des NSA ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Sein Argument, es lasse sich hundertprozentige Sicherheit nicht mit hundert Prozent Schutz der Privatsphäre und null Einschränkung erzielen, könnte aus dem Mund seines Vorgängers George W. Bush stammen. Dessen Politik hatte der Staatsrechtler Obama im Präsidentschafts-Wahlkampf brillant zerlegt, als er davor warnte, Freiheiten im Namen der Sicherheit über Bord zu werfen. »Es gibt keinen Grund, warum wir nicht Terroristen bekämpfen und gleichzeitig unsere Bürgerrechte schützen können.« Wie wahr. Es gibt kaum Anhaltspunkte, dass eine undifferenzierte Überwachung von Internet und Telefon besser vor Terroranschlägen schützen. Dass der Kritiker von einst im Weißen Haus eine Kehrtwende vollzogen hat, enttäuscht nicht nur Obamas Anhänger. Wie zuvor mit seiner Drohnenpolitik oder wegen der Schnüffeleien des Justizministeriums bei Journalisten, droht der Präsident Teile seiner Basis zu verlieren. Eine neue Debatte über die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit scheint nun unausweichlich.
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