Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Drohnen-Affäre
Bielefeld (ots)
Da mag sich der Generalinspekteur der Bundeswehr mit seiner Selbstanklage noch so sehr für seinen Chef in die Bresche werfen: Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich ausmanövriert. Die zum Selbstschutz abgegebene Beteuerung, er habe erst am 13. Mai von den unlösbaren Problemen beim »Euro Hawk«-Projekt gehört, erweist sich als politischer Rohrkrepierer. Wenn das wahr ist, muss de Maizière monatelang die Ohren vor Hinweisen auf das drohende Desaster verschlossen haben. Ganz so ahnungslos aber kann der Minister nicht gewesen sein, sonst hätte er nicht in einem Interview eine Woche vor der angeblich einzig maßgeblichen Unterrichtung durch seine Staatssekretäre massive Zweifel am Drohnenprojekt geäußert. Auch der jüngste Taktikwechsel bringt de Maizière nicht aus der Schusslinie. Wenn der Minister nun einräumt, quasi inoffiziell und »auf dem Flur« schon vorab von den Problemen gehört, aber bis zur offiziellen Unterrichtung nicht weiter nachgefragt zu haben, dann zeugt das nicht von politischer Vorwärtsverteidigung, sondern lässt den Minister eher als müden Etappenhasen erscheinen. Genau das meint FDP-Generalsekretär Patrick Döring, wenn er de Maizière daran erinnert, er sei »nicht nur disziplinarisch, sondern auch politisch Chef des Hauses«. Der Koalitionspartner zieht also schon einmal den Kopf ein, bevor es so richtig brenzlig wird. Auch bei den Wählern verliert der bislang als überaus solide wahrgenommene Minister an Rückhalt. Annähernd zwei Drittel der von Emnid aktuell Befragten sagen, sie hätten kein Vertrauen mehr in de Maizière: Das sind verheerende Werte für einen Politiker, der Verantwortung für das Leben deutscher Soldaten trägt. Für Kanzlerin Angela Merkel ist der Kollateralschaden noch gar nicht absehbar. Hält sie de Maizière im Amt, liefert sie der Opposition bis zum Wahltag Munition für immer neue Angriffe. Entzieht sie ihm das Kommando, wird sie niemanden finden, der das wichtige Ressort in den verbleibenden vier Monaten der Wahlperiode mit annähernd großer Erfahrung führen kann. Und der Minister selbst? Der wirkt ein wenig wie der Ritter von der traurigen Gestalt. Das unselige Drohnen-Projekt hat er schließlich ja nicht selbst erfunden, sondern von seinen Vor- und Vorvorgängern geerbt. Unter den Projektverantwortlichen fand sich offenbar niemand, der ausreichend Schneid oder Anstand besaß, den Minister und seine Staatssekretäre frühzeitig über die Risiken aufzuklären. Thomas de Maizière hat die Bundeswehrreform maßgeblich vorangebracht. Der Kampf gegen die Windmühlenflügel der Wehrbürokratie aber ist noch längst nicht gewonnen. Auch das ist eine Lehre aus dem Drohnen-Debakel. Wer auch immer nach der Bundestagswahl das Verteidigungsministerium führen wird - es erwarten ihn viel Arbeit und so manche politische Tretmine.
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