Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Eon Westfalen-Weser
Bielefeld (ots)
Die Rekommunalisierung des Strom- und Gasnetzes in der Region hat eine finanzielle, eine ökonomisch-ökologische und eine politisch-strukturelle Bedeutung. Unterm Strich schreiben die 45 Kommunalvertreter, die an diesem +Montag ihre Unterschrift unter den Kaufvertrag von Eon Westfalen-Weser setzen werden, Regionalgeschichte Jemanden, der sich verschuldet, um mit den erzielten Einnahmen anderswo mehr Geld zu verdienen, nennt man im privaten Bereich einen Spekulanten. Die Kommunen, die für den Kauf von Anteilen an der Eon Westfalen-Weser AG auch Kredite aufnehmen und dabei sogar die Rücklagen für Pensionen ehemaliger Mitarbeiter einbeziehen, müssen sich also ihrer Sache schon sehr sicher sein. Und so verrückt es klingt, sie können es auch. Eine Rendite von fünf bis sechs Prozent gibt es heutigentags nur für riskantere Anlagen. Beim Netz aber ist die von der Bundesnetzagentur festgesetzt - und damit quasi staatlich und risikofrei. Klar kann die Agentur ihre Vorgaben auch wieder verändern. Doch muss sie dann der Politik erklären, wie sie die Sicherheit des Netzes und damit der Energieversorgung dennoch sicherstellen will. Aus dem gleichen Grund dürfte auch in dem nicht ganz unwahrscheinlichen Fall, dass die Zinsen demnächst in Europa die Richtung wechseln und leicht steigen, eine Anpassung gesichert sein. Mit der Liberalisierung des Stromnetzes war in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre die Hoffnung verbunden worden, dass durch die Beseitigung des Staatsmonopols die Preise für die Verbraucher sinken. Dazu kam es nicht. Stattdessen sorgten die hohen Gewinne der vier großen Energiekonzerne für Ärger. Indem OWL aus Sicht der Liberalisierer scheinbar einen Schritt zurückgeht, marschiert die Region in Wirklichkeit nach vorn. An der Macht des Oligopols wird sich durch diese Entscheidung zunächst nichts ändern. Immerhin ist die Trennung des Netzes und damit der Infrastruktur aber die Grundvoraussetzung, dass neue Wettbewerber irgendwann überhaupt eine Chance haben werden. Auch die Energiewende kann mit kommunalen Netzeigentümern leichter gelingen als etwa mit einem Hedgefonds, der auf Gewinnmaximierung aus ist. Aufgrund geänderter gesetzlicher Vorschriften waren Infrastruktur und Belieferung schon seit einiger Zeit zwar formal unter einem Dach. In der Praxis aber durfte Eon sich bei den Netzgebühren nicht selbst bevorteilen. Die Sache aber auch eigentumsrechtlich zu trennen, ist die bessere Lösung. Die Aktion der 45 Kommunen in Ostwestfalen-Lippe und einiger angrenzender Kreise ist um so bemerkenswerter, als hier vor allem zwei Städte, die nicht Oberzentrum sind, vorangingen: Herford und Paderborn. Ihr Erfolg zeigt, dass man in dieser Region doch über den eigenen Kirchturm hinausschauen kann. So sind wohl auch weitere Allianzen zu erwarten - durch den Beitritt weiterer Kommunen und vielleicht durch eine Verbindung mit den Stadtwerken Bielefeld.
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