Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Organspenden
Bielefeld (ots)
Weiter aufklären. Das muss eine der Konsequenzen des Göttinger Organspendeskandals sein. Dabei sollte es aber nicht nur um die wahrscheinlichen Manipulationen von Transplantationslisten gehen. Die derzeitige Aufmerksamkeit für das Thema eignet sich dazu, einige grundsätzliche Fragen anzusprechen. 1. Ist es richtig, dass das Organspendesystem in Deutschland privat organisiert ist? Wo es tausendfach um Leben und Tod geht, sollte da nicht der Staat selbst für Vertrauen sorgen? Auch nach seiner Verschärfung baut das Transplantationsgesetz hier aber organisatorisch auf die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), die Stiftung Eurotransplant in den Niederlanden und die Bundesärztekammer. 2. Wenn das Transplantationssystem gegen kriminelle Energie offenbar schwer zu schützen ist, wäre es dann nicht sicherer, die Zahl der Transplantationszentren zu reduzieren? Mehr als 40 Kliniken in Deutschland befassen sich mit Organtransplantationen. Führt derartiger Wettbewerb bei zu wenigen Spenderorganen nicht ohnehin dazu, dass neben die Bedürfnisse der Patienten in unguter Weise die Bedürfnisse der Klinik treten? 3. Ist die in den sechziger Jahren entstandene Konstruktion des »Hirntods« so unzweifelhaft richtig, dass sie als Grundlage der Organentnahme hingenommen werden kann? Die Bundesärztekammer definiert den »Hirntod« als »Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms«. Doch ist ein solcher Patient wirklich ein Toter? Oder, weil andere Körperfunktionen ja noch intakt sind, nicht doch eher ein Sterbender? 4. Wie können wir den Abschied von einem Organspender würdig gestalten? Hinterbliebene müssen die Entscheidung über eine Organfreigabe unter Zeitdruck treffen. Hat der Spender seine Einwilligung beizeiten erteilt, können sie zwar in der Annahme entscheiden, nach seinem Willen zu handeln. Die Möglichkeit stiller Sterbebegleitung geben sie jedoch damit auf. Denn die medizinischen Erfordernisse bestimmen den weiteren Ablauf. Dieser Umstand ist vielen Spendewilligen und ihren Familie nicht klar. Diese Fragen zu stellen und zu versuchen, sie zu beantworten, kann dazu beitragen, dass sich mehr Menschen dauerhaft mit der Organspende befassen. Damit ist jedoch nicht gewährleistet, dass die Zahl der Spendewilligen unter den gegebenen Bedingungen deutlich steigt. Denn unabhängig von Listenmanipulationen sollten Spender und ihre Angehörigen noch besser beraten und umsorgt werden. Auf den Internetseiten mehrerer Krankenkassen finden sich inzwischen Faktensammlungen und Entscheidungshilfen. Das kann aber nur ein Anfang sein.
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